Kaum ein Schriftsteller wie Martin Walser hatte so zahlreiche Lesungen wie er. Nach an seinen Leseorten vermessen ist Leipzig die Stadt, wo die meisten seiner Lesungen stattfanden. Es wird berichtet, dass er bis ins hohe Alter mit körperlichem Einsatz, mit Leib und Seele las. Es wird berichtet, sobald er mit dem Lesen begann, straffte er sich so als würde neues Leben in ihn einströmen. Dabei musste er stehen, um mehr Atem zu haben aber auch um mit seiner flachen Hand das Gesagte zu unterstreichen. Für Martin Walser war es sein tägliches Lebenselixier und er wurde 96 Jahre alt. Im Band „Die Stadt der Städte“ – Leipzig – Lesestadt Nummer 1 – schreibt er: »Zum ersten Mal habe ich in Leipzig glaube ich, am 7. März 1981 gelesen. Im Gewölbe der Bastei, das von Studenten wieder ausgegraben worden war. Es war ein Samstagvormittag. Eingeladen hatte Professor Pezold. Ich wohnte im Hotel Astoria, Zimmer 103. Meine Reisebuchführung sagt, dass ich auch bei späteren Lesungen in diesem schwermütigen Hotel wohnte, nämlich in den Zimmern 277 und 360.
Die Vorhänge waren kaum dazu zu bewegen, noch Tageslicht hereinzulassen. Aber unten, der Speisesaal machte alles wieder gut: eine gewaltige figurenreiche Tübke-Wand. Das erwähne ich nur, weil es nichts mehr davon gibt.«
In einem Nachwort schreibt im November 2024 Jörg Magenau, Autor einer Walser Biografie: »Von Martin Walser bleibt nicht nur ein gigantisches Werk. Es bleibt auch die Erinnerung an seine Auftritte. Wer ihn einmal bei seiner Lesung erlebt hat, wird das nicht so leicht vergessen. Jede Lesung war ein Fest.«
Der zweite Martin Walser Band mit dem Titel »Das Hundemögliche oder Die Entstehung der Zukunft« und ist illustriert mit Fotografien von Isolde Ohlbaum. Der Autor schreibt: »Nach einiger Erfahrung mit Hunden halte ich es für möglich, dass wir von Tieren so viel lernen können wie sie von uns. Ein Tier nimmt sich nichts übel, wenn wir es nicht dazu zwingen. Zum Beispiel: Ich kenne einen, den man ein großes Tier nennt, bei dem ist das auch so. Der nimmt sich nichts übel. Aber da er ein großes Tier ist, wagt niemand, ihn zu zwingen, etwas übelzunehmen.«
In den Nachbemerkungen zum „Das Lachen der Hunde“ schreibt Peter Blickle: »Wer zwischen Konrad Lorenz’ So kam der Mensch auf den Hund und Thomas Manns Herr und Hund groß wurde«, erkennt unschwer in Martin Walsers »Das Hundemögliche oder Die Entstehung der Zukunft« einen weiteren Versuch, uns armen Menschen zu erklären, weshalb wir unmöglich ein Tier wie Bauschan oder Bruno oder Timon oder Robi in unserer verarmten, in Menschlichkeit unmenschlich gewordenen Welt verstehen können.
Bestenfalls ist ein Bewundern und Beschreiben und Staunen möglich.
Zwei empfehlenswerte Bücher.
khw
Martin Walser – Die Stadt der Städte
Edition Isele, Eggingen 2025
56 Seiten – 16,80 EUR
Martin Walser
Das Hundemögliche oder Die Entstehung der Zukunft
Edition Isele, Eggingen 2025
48 Seiten – 17,95 EUR
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