29.08.2025
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Juergen Teller: AUSCHWITZ BIRKENAU
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Als Teilnehmer des Filmfestivals für Dokumentar- und Trickfilme im Frühjahr 1980 in Kraków hatte ich zum ersten Mal eine Gelegenheit, die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau zu sehen. Die Anreise in die Bischofsstadt Kraków war mehr als kompliziert. In der damaligen Volksrepublik Polen führte die regierende kommunistische Arbeiterpartei einen Kampf mit der katholischen Gewerkschaft Solidarność, mit dabei der Vorsitzende Lech Wałęsa, der spätere Präsident von Polen. Es führte dazu, dass die Lufthansa Warschau boykottierte. Somit war die Anreise mehr als kompliziert. Der Flug nach Kraków mit SAS von Hamburg nach Kopenhagen, dann mit LOT weiter nach Warschau und Kraków. An einem Sonntag ging es mit einem Reisebus über 80 km Landstraße zur Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Es war ein grauer Tag beim Besichtigungsgang durch das ehemalige KZ. Ähnliche Bilder, wie sie Juergen Teller für das AUSCHWITZ BIRKENAU Buch fotografierte.
Der Mordkomplex Auschwitz umfasste das Lager Auschwitz I, das sogenannte Stammlager. Hier fanden die Tötungen mit Zyklon B in der Gaskammer 1 statt. Im Lager Auschwitz II, Birkenau mit den Gaskammern 2, 3, 4 und 5 und das Lager Auschwitz III, Monowitz, in deren Industrieanlage die IG-Farben Häftlinge aus den von Hitler-Truppen besetztem Europa als Zwangsarbeiter fürs Kapital ausbeutete. Der gesamte Komplex wurde mit Krediten der Dresdner Bank gebaut, die SS hatte kein eigenes Kapital, war auf die Hilfe der Banken angewiesen. In den Jahren von 1940 bis zur Befreiung durch die Rote Armee wurden mehr als eine Million Menschen, in der Mehrzahl Jüdinnen und Juden aus den besetzten Ländern ermordet.
Kurz vor dem 27. Januar 2025 dem 80. Jahrestag der Befreiung des Lagers durch die Rote Armee der Sowjetunion reisten Juergen Teller, Dovile Drizyte und Gerhard Steidl auf Einladung von Christoph Heubner vom Internationalen Auschwitz Komitees nach Auschwitz-Birkenau. Aus ihrem Besuch entstand der beeindruckende visuelle Atlas des Mordkomplexes der Nazis wie der Produktionsstätte der deutschen Industrie, die geholfen haben, NSDAP mit ihren Hilfstruppen von SA bis zur SS an die Macht zu bringen. Zur Mitte des Bandes Aussagen von Auschwitz-Überlebenden in Moskau: «Neben mir sitzt Krystyna, die aus Polen stammt. Als 13-Jährige hat sie im Herbst 1944 als Kurierin im Warschauer Aufstand gekämpft. Sie erzählt: Nach der Zerschlagung des Aufstandes wurden wir in Kolonnen durch das brennende Warschau getrieben. Wer hinfiel, den erschossen sie auf der Stelle. Nach einiger Zeit in einem Durchgangslager wurden wir selektiert. Mama kam nach rechts, meine Schwester und ich nach links. Von unserer Mutter getrennt, wurden wir in ein großes Lager gebracht – nach Auschwitz-Birkenau. Die Kinderbaracke war groß, Halbdunkel, nackter Erdboden, Kälte, Schmutz, Flöhe. In jeder Koje la man zu dritt oder zu viert. Keines von uns Kindern hat geweint, selbst dir kleinsten nicht. Weinen war verboten, und wenn man doch geweint hat, gab es harte Strafen.
Oft wurden wir zu Blutabnehmen abgeholt, für die deutschen Soldaten an der Front. Manche sind vom Blutabnehmen nicht zurückgekommen. Davor hatten wir am meisten Angst. Befreit wurden wir in Neuengamme, nach dem Todesmarsch. Uns ist es dann gelungen, uns nach Warschau durchzuschlagen. Warschau lag in Trümmern, wir aber haben niemanden von unserer Familie gefunden, auch unsere Mutter nicht. Viele Waisenkinder sind obdachlos und hungrig durch Warschau geirrt. Eines Tages haben die sowjetischen Kommandeure alle obdachlosen Kinder eingesammelt. Wir wurden in Waggons geladen und in die UdSSR gebracht. Bis heute lebe ich in Moskau.» Soweit eine Überlebende von Auschwitz-Birkenau.
Ein Band zu empfehlen, verbunden mit dem Wunsch, dass man sich auch noch in den kommenden Jahren daran erinnert, dass Auschwitz-Birkenau von den Soldaten der Roten Armee unter Führung von Josef Stalin das Konzentrationslager befreit wurde. Empfehlenswert besonders für Jugendliche.
khw
Juergen Teller: AUSCHWITZ BIRKENAU
Mit Texten von Christoph Heubner
Internationales Auschwitz Commitee
Verlag Steidl, Göttingen 2025
432 Seiten – 820 Farbfotografien – 40,00 EUR
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