02.12.2024
Joscha Döpp: Von Babyn Jar nach Darmstadt
Der SS-Sonderkommandoführer Kuno Callsen vor Gericht

Der Autor Joscha Döpp, geb. 1996, studierte Geschichte, Politikwissenschaft und Kunstgeschichte in Frankfurt a.M. und in Toronto. Seine Masterarbeit zum Darmstädter Einsatzgruppenprozess im Oktober 1967 arbeitete der Autor zum Buch um. Die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen 1960 in Ludwigsburg gegründet, übernahm die Aufklärung des bereits vergessenen geglaubten Verbrechens des Sonderkommandos 4a der Einsatzgruppe C des Massakers von Babyn Jar auf. Ihre Ermittlungen führten zum Prozess 1967 gegen den SS-Sonderkommandanten Kuno Callsen und 10 weitere Beteiligten an der Ermordung von jüdischen Kindern, Frauen und Männern in dem Tal in der Nähe von Kiew. Hier wurden innerhalb von 48 Stunden 80.000 Juden – vom Kleinkind bis zum Greis – ermordet. In Babyn Jar ist das größte Massaker an Juden von Deutschen im Zweiten Weltkrieg begangen worden. An diesem Verbrechen waren die SS, Polizeieinheiten wie das Heer der Wehrmacht beteiligt. Die 6. Armee unter dem Generalfeldmarschall Walter von Reichenau half eng der SS bei Planung und der Ausführung der Vernichtungsaktion. Nach dem Morden sprengten Pioniere zur Beseitigung der Spuren die Ränder der Schlucht. Dabei wurden angeschossene aber noch lebende Opfer lebendig begraben.

Die Rekonstruktion der Verbrechen des Sonderkommandos 4a, das die Generalstaatsanwaltschaft 1967 in ihrer Anklage vorlegt, war so ausführlich, dass sie der historischen Forschung heute nichts nachsteht. Im Darmstädter Prozess wurden 171 Zeuginnen und Zeugen gehört.

Das Urteil, 700 Seiten, wurde am 29. November 1968 verkündet. Der Hauptangeklagte Callsen erhielt eine Gesamtstrafe von 15 Jahren Zuchthaus und die Aberkennung seiner bürgerlichen Ehrenrechte auf zehn Jahre. Die Strafe für die Mitangeklagten Häfner, Hans, Janssen, Riesle, Woithon und Schulte variierten zwischen vier und elf Jahren Zuchthaus und Aberkennung ihrer bürgerlichen Ehrenrechte. Vier Angeklagte, Pfarrkircher, Consée und Trill, obwohl persönlich mehrere hundert Menschen erschossen haben, wurde von einer Bestrafung abgesehen, da sie nicht aus eigenem Antrieb gehandelt haben, sondern nur Befehlen folgten.

Die Urteile hatten ein juristisches Nachspiel, die Angeklagten gingen in Revision. Das Strafmaß der Urteile hatte weiter Bestand, gemäß der Strafrechtsreform von 1969 wurden die Zuchthausstrafen in Freiheitsstrafen umgewandelt.
khw


Joscha Döpp: Von Babyn Jar nach Darmstadt
Der SS-Sonderkommandoführer Kuno Callsen vor Gericht

Wallstein Verlag, Göttingen 2024
Kleine Reihe zur Geschichte und Wirkung des Holocaust
Band 5
165 Seiten – 2 Karten – 18,00 EUR