02.12.2024
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»MENSCHEN, DIE PLÖTZLICH NICHT MEHR DA WAREN«
JÜDISCHES LEBEN IN HAMBURG BLANKENESE
Herausgeber: Friedemann Hellwig, Frauke Steinhäuser, Alan Krammer und Petra Bopp
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Zur Geschichte Hamburgs, auch zu Blankenese, im Nationalsozialismus sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Untersuchungen erschienen. Zum jüdischen Leben in Blankenese bis zum Beginn der NS-Zeit gab es bisher keine Forschung. Mit dem Band »MENSCHEN, DIE PLÖTZLICH NICHT MEHR DA WAREN«, ein Kompendium über Juden und jüdisches Leben hat jetzt diese Lücke geschlossen. Wohl erschienen Begleitbroschüren zur Ausstellung »Viermal Leben. Jüdisches Schicksal in Blankenese« oder zu den sieben Ausstellungen zu jüdischen Malerinnen und Malern, kuratiert von Maike Bruns.
Der Band ist das Ergebnis der Erforschung der Geschichte der Juden in Blankenese, auch die Geschichte von Blankenese. Bereits seit dem 19. Jahrhundert leben zahlreiche Juden in Blankenese, waren hier geachtete Bürger, kauften in der Bahnhofstraße ein, besuchten das Café Schuldt oder es ging zum Essen auf den Süllberg. An Sommertagen lockte die Elbe zu einem Bad in ihren Fluten. Selbstverständlich war es, dass die Kinder der jüdischen Community auf die Volksschule in Blankenese gingen. Doch dieses idyllische Bild des Fischerdorfes Blankenese wurde ab 1930 trügerisch.
Bis 1862 gehörte Blankenese zum dänischen Königreich, nach einem deutsch-dänischen Krieg wurde es preußisch, kam nach Altona. Erst mit dem Groß-Hamburg-Gesetz im April 1938 wurde es mit Altona und 4 selbständigen Städten und dem Landkreis Harburg nach Hamburg eingemeindet.
Die Gründung einer NSDAP-Ortsgruppe Blankenese im Dezember 1929 zeigt, wie hier der Weg der Nazis zur Macht führte. Der Start der Ortsgruppe sollte sich bereits bei der Reichstagswahl am 14. September 1930 auszahlen. In Blankenese stimmten 36,9 Prozent der Wähler für die NSDAP, in Altona waren es mit 21,6 Prozent erheblich weniger.
Am 30. Januar 1933 ernannte der Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler. Damit beginnt die NS-Diktatur in Deutschland. Schlagartig änderte sich überall im Land das Leben der jüdischen Bevölkerung. Bei der letzten Reichstagswahl am 5. März 1933 in Blankenese waren von den gültigen Stimmen 55 Prozent für die NSDAP. Im April 1933 die ersten Boykottmaßnahmen gegen Juden. Die erste Gesamtdarstellung über jüdisches Leben in Blankenese beschreibt, wie sich der Alltag für Juden veränderte. Junge Juden bereiten sich in Hachschara-Einrichtungen auf die Auswanderung nach Palästina vor.
Dokumentiert wird, dass Juden grundlos in die von der SA betriebenen Lager verbracht werden. Die Lage der jüdischen Mitbürger wird, wenn auch langsam, immer bedrohlicher. Mit dem Gesetz zur Wiedereinführung müssen Beamte mit Dokumenten belegen, dass sie arische Vorfahren haben. Betroffen davon sind auch jüdische Ärzte und Rechtsanwälte, sie dürfen nicht mehr praktizieren.
Staatlich verschärft wird der Boykott gegen Juden am 9. November 1938. Der Pogrom an diesem Tag ist die Zerstörung von Synagogen und jüdischer Geschäfte. Hier geht mehr als nur Ladenscheiben zu Bruch. Wer die Möglichkeit hat, geht, solange es möglich ist ins Exil.
Nach der Volkszählung am 17. Mai 1939 sind es in Blankenese noch 111 Juden und 82 »Mischlinge«. Nach dem Überfall der Sowjetunion im Juni 1941 beginnen im Oktober die Deportationen ins Ghetto Lodz, in die Konzentrationslager, den Vernichtungslager Auschwitz und ins Ghetto Theresienstadt.
Am 5. Mai 1945 ist Hamburg von britischen Soldaten vom Faschismus befreit. Die bedingungslose Kapitulation von Hitlers Wehrmacht einige Tage später am 8. Mai 1945. Hitlers Nachfolger Großadmiral Karl Dönitz kann noch bis zum 23. Mai 1945 in Flensburg Mürwik auf den Hapag-Lloyd Dampfer Patria Kanzler spiele, dann wird er auf Druck der Sowjets von den britischen Besatzungstruppen verhaftet.
In dem Warburg-Haus in Blankenese beginnt neues jüdisches Leben.
khw
»MENSCHEN, DIE PLÖTZLICH NICHT MEHR DA WAREN«
JÜDISCHES LEBEN IN HAMBURG-BLANKENESE
Herausgeber: Friedemann Hellwig, Frauke Steinhäuser, Alan Kramer und Petra Bopp
Dölling und Galitz Verlag in der Junius Verlag GmbH. - Hamburg 2024
784 Seiten – reich illustriert – 38,00 EUR
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