In dem noch Stadtteil Kreuzberg beginnt Susanne Matthiesen neuer Roman. Auf der Straße läuft sich hier eine neue Frauenbewegung warm. Nichts wollen sich die Frauen mehr von Männern vorschreiben lassen, wollen selbst bestimmen, wollen endlich ihre Hälfte der Welt. Noch immer müssen Frauen dafür kämpfen. Susanne Matthiessen erzählt unterhaltsam, aber auch selbstironisch von ihrem Weg und den Hoffnungen von damals nach heute. Auch dreißig Jahre später ist Berlin-Kreuzberg – jetzt Friedrichshain-Kreuzberg – noch immer ein Ort für Träume aller Art. Nur die Freiheit heute ist hier teurer als damals, was keiner sich mehr richtig leisten kann.
Der Roman endet mit dem Treffen von Mutter und Tochter: »Selbst das Wetter ist bei euch radikal«, sagt meine Mutter. »Entweder schrecklich oder schön. Berlin ist immer extrem. Das hat schon auf alle abgefärbt. Du bist das Beste Beispiel dafür.« Mit Schmeicheleien hält sie sich gar nicht erst auf. Als Motivationstrainerin ist sie Stein Ausfall. Schwäche und Scheitern mag sie nicht. Eigentlich ist sie viel radikaler als ich. Das darf ich aber nicht sagen. Sie würde es aufs Energischste bestreiten und mich beschimpfen. Sie ist im Zweiten Weltkrieg geboren, auf einem Küchentisch. Darauf spricht man sie nicht besser an. Auch nicht darauf, wie sie aufgewachsen ist, wie wenig sie hatte. Sie will nicht darüber sprechen. – Lesenswert.
khw
Susanne Matthiessen: Lass uns noch mal los – Roman
Ullstein Buchverlage, Berlin 2024
334 Seiten – 23,99 EUR
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