18,05.2024
René Pikarski/Nicky Rittmeyer/Ralf Schenk (Hg.): … und wer wird die Welt verändern?
Slatan Dudow. Annäherungen an einen politischen Regisseur

Die DEFA-Stiftung wurde 1998 errichtet, um den Filmbestand der Deutschen Film AG (DEFA) zu erhalten. Auch umfangreicher Geschichte der DEFA wird gedacht, mit der Herausgabe mit thematischer Literatur der Stiftung gedacht. In Zusammenarbeit mit dem Bertz + Fischer Verlag erscheinen in loser Folge Essays, Dokumentationen und Forschungsarbeiten zu verschiedenen Themen der DEFA, auch Portraits über ihre Persönlichkeiten. In dieser Reihe ist der Band über Filmregisseur Slatan Dudow erschienen.

Das Buch entstand unter widrigen Umständen. Durch Covid-Pandemie 2022/23 standen die Mitarbeiter an diesem Projekt über ein Jahr vor geschlossenen Archiven, dann verstarb unerwartet im August 2022 der Initiator des Bandes, Rolf Schenk. Dass die Arbeiten in seinem Sinne weitergeführt werden konnten, ist vor allem René Pikarski zu verdanken, der als Co-Herausgeber das Buch gemeinsam mit Rolf Scheck konzipiert und über alle Unwägbarkeiten hinweggetragen hat. Einen großen Anteil am Zustandekommen der Veröffentlichung gebührt Nicky Rittmeyer, die von Seiten der Akademie der Künste den Band von Beginn an begleitete, nach dem Tod von Rolf Schenk die Co-Herausgeberschaft übernahm.

Das Buch handelt von dem häufig politisch unterbrochenen Leben des bulgarisch-deutschen Regisseurs und Autors, Nationalpreisträgers und Mitglied der Akademie der Künste, Slatan Dudow von 1903 bis 1963. Bereits zu seinen Lebzeiten gelang es ihm, besonders mit seinen Spielfilmen, einen Namen zu machen. So ist sein Name auch eindeutig mit politisch und parteiübergreifender Kunst verbunden, von der heute eher selten gesprochen wird. In der DDR wurde er nach seinem Tod als der »Begründer des sozialistischen Films« genannt, so enthält der Band auch sein Œuvre. Aus unterschiedlichen Perspektiven besprechen Autoren in dem Band seine künstlerischen Auffassungen und seine gesellschaftspolitischen Ideale.

Das wohl bekannteste Beispiel proletarischer Filmkunst ist der Film „Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt?“, mit dem Slatan Dudow national wie international Filmgeschichte schreibt. Am Drehbuch wirkte Bertolt Brecht mit, Regisseur ist Slatan Dudow, der kurz zuvor einen Dokumentarfilm über die Wohnverhältnisse der Arbeiter in Berlin drehte.

Am 30. Januar 1903 wird in Zaribrod/Bulgarien Slatan Dudow geboren, geht nach seinem Abitur in Sofia 1923 nach Berlin, um in der Stadt eine private Schauspielschule aufzusuchen. Nicht Schauspiel interessiert ihn, es ist der Film. Ab 1925 hat er zwei Jahre in Neubabelsberg bei den Dreharbeiten zum Fritz Lang Film „Metropolis“ von Fritz Lang hospitiert. Die Buchhändlerin Charlotte Starke, die neben der Parteibuchhandlung auch die einzige linksgerichtete private Buchhandlung in Berlin führt, heiratet er 1927. Nach Moskau reist Dudow1929, lernt persönlich Sergej Eisenstein und Wladimir Majakowski kennen. Zurück in Berlin ist er Assistent bei Dokumentarfilmen, bevor er 1930 seien ersten Dokumentarfilm „Wie der Arbeiter wohnt“ dreht. „Kuhle Wampe“ kann Dudow noch 1931/32 ohne Schwierigkeiten drehen, ab1933 ist das vorbei. In Deutschland regiert die NSDAP so kann er seinen Film „Seifenblasen“ nicht beenden. Im Exil in Frankreich wird der Film auf französisch beendet. Von Frankreich 1940 aus findet das Ehepaar Dudow von 1940 bis 1946 Exil in der Schweiz. Dann gehen Slatan Dudow mit Frau und Tochter zurück nach Berlin, er wird Regisseur bei der neu gegründeten Deutschen Film AG (DEFA). Das Eingewöhnen ist schwierig, wohl hat er ein festes Einkommen, muss sich mit den schlechten Lebens- und Wohnverhältnissen arrangieren, auch mit Rationierung von Lebensmitteln. Ab November 1946 SED-Mitglied, wird er auch Mitglied im Kulturbund. Seinen ersten Film „Unser Täglich Brot“ kann Dudow 1949 realisieren. Dann folgen 1950 „Familie Benthin“, 1951/52 „Frauenschicksale“ und drei weitere Filme. Zu seinem 60. Geburtstag ehrt ihn das Ministerium für Kultur mit dem Professorentitel. Den Film „Christine“ wird Dudows letzter Film werden. Die Dreharbeiten am 11. Juli 1963 dauern bis in die Nacht. Erst in den frühen Morgenstunden des 12. Juli kann sich der Drehstab auf den Weg ins Hotel machen. Kurz vor Fürstenwalde kommt Dudow mit seinem Mercedes 180 von der Straße ab, prallt gegen einen Baum, ist schwerverletzt.

Ebenso die Schauspielerin Annette Woska und ihre Freundin, die auf der Rückbank des Autos sitzen. Der Kameramann Helmut Bergmann ist der erste, der hilft. Eingeliefert ins Kreiskrankenhaus Fürstenwalde stirbt Slatan Dudow um 9:05 Uhr an seinen schweren Verletzungen des Autounfalls.

Mit einem Staatsbegräbnis auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin wird Slatan Dudow beerdigt. Die Trauerfeierfeier gemeinsam vom Ministerium für Kultur und der Akademie der Künste findet in der Deutschen Staatsoper statt. Es spielen Mitglieder der Staatskapelle Berlin, Erwin Geschonneck rezitiert Brechts »Lob des Kommunismus«, folgen die Trauerreden des Kulturministers Hans Bentzien und Konrad Wolf für die Akademie. Hans Jakob singt das Solidaritätslied aus Kuhle Wampe Film.

Der Band vermittelt Geschichte der DEFA, auch wie alles einmal begann.
khw


René Pikarski / Nicky Rittmeyer / Ralf Schenk (Hg.)
… und wer wird die Welt verändern?
Slatan Dudow. Annäherungen an einen politischen Regisseur

DEFA Stiftung Schriftenreihe Berlin 2024
686 Seiten – Fotos, 2 DVD – 45,05 EUR
Vertrieb: Bertz+ Fischer Verlag, Berlin