18,05.2024
RUTH HOFFMANN: DAS DEUTSCHE ALIBIMythos »Staufenberg-Attentat« wie der 20. Juli 1944
verklärt und politisch instrumentalisiert wird

Die Autorin Ruth Hoffmann, geboren 1973 in Hamburg, studierte Ethnologie, Geschichte und Politik, ist Absolventin der Henri-Nannen-Journalistenschule. Von 2004 bis 2006 war sie Redakteurin beim Stern, seitdem arbeitet sie für verschiedene Medien.

Im Vorwort schreibt Ruth Hoffmann: „Wenn heute, als wäre es nie anders gewesen, am Jahrestag des gescheiterten Attentats Kränze niedergelegt und staatstragende Reden gehalten werden, täuscht diese Gedenkroutine über die Tatsache hinweg, dass das Bekenntnis hart erkämpft werden musste und unter Politikern lange alles andere als erwünscht gewesen ist. Denn der 20. Juli 1944 war immer ein schwieriges Datum und ein Stachel im Fleisch deutscher Selbstgewissheit Er entlarvte das Märchen vom verführten Volk, das von nichts gewusst habe, und weil er zeigte, dass es möglich gewesen wäre, sich anders zu verhalten. Das wollten sich nur die allerwenigsten eingestehen, als Alibi durften die Widerständler gern herhalten.“

Mit ihrem Buch unternimmt die Autorin eine umfassende und längst überfällige Dekonstruktion des »Staufenberg-Attentat« und wie der 20. Juli seit Gründung der Bundesrepublik politisch instrumentalisiert wurde. Es ging auch darum, sich von der DDR abzusetzen. So wurden linke Widerständler, vor allem aber Kommunisten auch Sozialdemokraten diffamiert. Im Gegensatz wurden Politiker, die mit dem NS-Regime kollaborieren, eine Nähe zum Widerstand angedichtet.

In ihrem Buch für Ruth Hoffmann zahlreiche Beispiele an. Im ersten Bundestag 1949 in Bonn wurden allein von 17 Abgeordneten der Deutschen Partei 10 Abgeordnete mit einem Direktmandat in Parlament gewählt. Und der Bundeskanzler Konrad Adenauer konnte mit Hans Globke höchstpersönlich den Mann als Chef ins Kanzleramt holen. Sein Aufstieg begann 1953, der Verwaltungsjurist wurde bis 1963 Staatssekretär im Bundeskanzleramt. Der Mann ist wohl das prominenteste Beispiel für Kontinuität zwischen dem „Dritten Reich“ und der frühen Bundesrepublik Deutschland. Globke wirkte bereits in der Weimarer Republik mit an einer antijüdischen Änderung des Namensrechts mit. In den NS-Jahren war er Mitverfasser und Kommentator der Nürnberger Rassengesetze und für die Namensänderungsverordnung 1938 durch die Juden erkennbar und stigmatisiert wurden.

Auch der Bundespräsident Theodor Heuss trug mit der Heroisierung der Männer des 20. Juli 1944 bei, indem er sie 1954 den ›christlicher Adel deutscher Nation‹ so den linken Widerstand abwertete. Dabei stimmte Heuss mit vier weiteren Abgeordneten der Deutschen Staatspartei im Reichstag am 23. März 1933 dem Ermächtigungsgesetz zu. Da waren bereits alle kommunistischen und zahlreiche sozialdemokratischen Reichstagsabgeordnete bereits verhaftet.

Bis heute wird der linke Widerstand, besonders der kommunistische, an den Rand gedrängt oder offen diffamiert. Das wirkte sich, so schreibt Ruth Hoffmann, indirekt auf die politische Kultur der Bundesrepublik aus – mit weit reichenden Folgen, das bis heute. Lesenswert.
khw


RUTH HOFFMAN: DAS DEUTSCHE ALIBI
Mythos »Staufenberg-Attentat« – wie der 20. Juli 1944
verklärt und politisch instrumentalisiert wird

Wilhelm Goldmann Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe, München 2024
398 Seiten – 24,00 EUR