13.09.2023
Ilko-Sascha Kowalczuk: WALTER ULBRICHT – DER DEUTSCHE KOMMUNIST (1893 - 1945)

Der Autor Ilko-Sascha Kowalczuk stellt seiner Walter Ulbricht Biografie „Vom Schreiben einer Biografie. Einleitung“ den Satz « Eine Biografie ist eine Ansammlung von Zufällen, das Kontinuierliche bestehen in der Sensibilität für Zufälle» voran.

Ilko-Sascha Kowalczuk, am 4. April 1967 in Berlin /DDR geboren, ist Historiker und Publizist mit dem Schwerpunkt Aufarbeitung der SED-Diktatur. Nun hat der ausgewiesene Kenner der DDR-Geschichte eine monumentale Biografie über Walter Ulbricht vorgelegt mit „Der Deutsche Kommunist von 1893 bis 1945“. Ein zweiter Band mit dem Titel „Der Diktator“ soll im nächsten Jahr folgen. Im Vorwort schreibt er: „Walter Ulbricht war mir immer fremd. Er ist mir beim Schreiben dieser Biografie nicht nahe geworden. Das ist keine nebensächliche Bemerkung. Kann ich denn eine Biografie schreiben, die mir selbst in ihren menschlichen Regungen fremd bleibt? Das ist eine methodische Frage, die in der Geschichtswissenschaft von Gewicht ist. Es geht um Nähe und Distanz. Bei Ulbricht brachte ich nie Sorge zu haben, dass mir Distanz fehle. Aber wie steht es um Nähe? Würde es ganz ohne Empathie, ohne Sympathie gehen, jahrelang an einer Biografie zu arbeiten, mit deren Hauptprotagonisten ich mich nicht unbedingt in meiner Freizeit zum Abendessen verabreden wollen würde? Ulbricht ist tot, schon 50 Jahre, da stellt sich die Frage nicht.“

Eine detaillierte und faktenreiche Biografie von 1000 Seiten Ilko-Sacha Kowalczuk lesenswert geschrieben. Walter Ernst Paul Ulbricht wird am 30. Juni 1893 in Leipzig als erstes Kind des gelernten Schneiders und dessen Ehefrau geboren. Sein Elternhaus war aktiv sozialdemokratisch geprägt. Sein politisches Leben begann so nach eigener Aussage mit einer Rede von August Bebel im Leipziger Krystallplast 1907. Da war er gerade 13 Jahre alt. Er wird Möbeltischler, ist bereits während der Lehrzeit Mitglied der Arbeiterjungend, 1912 ist er Mitglied der SPD. Im Jahr 1915 wir er als Soldat einberufen, kommt während der Novemberrevolution 1918 nach Leipzig zurück. Das Scheitern der Revolution wird zum wichtigsten politischen Ereignis in seinem Leben. Die Lehre, die er daraus zog, ist, dass auf dem Weg zur Diktatur des Proletariats eine kommunistische Kaderpartei unbedingt vorhanden sein muss. Seine Vorbilder und Lehrmeister sind Lenin und Stalin.

Ulbricht ist kein Theoretiker, sondern ein Praktiker., übernimmt die Kontrolle bei der Durchführung der Beschlüsse der Partei.

Auch die ideologischen Auseinandersetzungen innerhalb der Leitung der KPD, das sind Machtkämpfe werden in der Biografie thematisiert, gehen auch nach dem KPD-Verbot 1933 in Deutschland durch die Nationalsozialisten weiter.
Über Walter Ulbricht ist wenig überliefert, so ist auch in der Biografie nur wenig vorhanden. Mit Martha Schmellinsky war er ab 1920 verheiratet, lebten sich wegen seiner Illegalität auseinander. In Ulbrichts Pariser Jahren wurde Roas Michel (eigentlich Marie Wacziarg) seine Lebensgefährtin. Ab 1935 in Moskau ist es dann Erich Wendts Ehefrau Lotte, die er später nach Scheidung von Martha 1949 erst 1953 heiratet.

Im Jahr 1944 mit 50 Jahren ist Walter Ulbricht der Mann, der die KPD führt. Dem Berufsrevolutionär zeichnet sein großer Arbeitseifer aus, hat eine hohe soziale Intelligenz, ein breites Wissen und ein phänomenales Gedächtnis. Lesenswert.
khw


Ilko-Sascha Kowalczuk: WALTER ULBRICHT
DER DEUTSCHE KOMMUNIST

C.H. Beck Verlag, München 2023
1006 Seiten – 58,00 EUR