11.07.2023
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Aron Boks: NACKT IN DIE DDR
Mein Urgroßonkel WILLI SITTE und was die ganze Geschichte mit mir zu tun hat
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Der Autor Aron Boks, am 24 Mai 1997 in Wernigerode/Harz geboren, ist Schriftsteller und Poetry-Slamer. Er begann 2016 ein Studium der Germanistik, Geschichtswissenschaft, später noch der Publizistik an der Freien Universität Berlin. Seine Karriere auf der Bühne begann 2016 mit dem Sieg der Landesmeisterschaft in Poetry-Slam in Magdeburg in diesem Jahr. Nach redaktionellen Workshops erschienen erste Arbeiten in der „taz am Wochenende“. Seine erste Erzählung, 2018 erschienen, wurde 2019 mit dem Klopstock-Förderpreis für Neue Literatur ausgezeichnet. In diesem Jahr erschien sein autobiografisches Buch „Luft nach unten“, dass die Magersucht vor allem bei Männern thematisiert. Boks ist auch Gründungsmitglied des PEN Berlin.
Was verbindet den Autor mit Willi Sitte und der DDR? Aron Boks ist der Urgroßneffe des Malers. Aron Broks hat ein sehr gut recherchiertes Buch, damit fundiert, über seinen Onkel, dem ehemaligen Vorsitzenden des Verbandes Bildender Künstler (VBK) der DDR, seit 1947 Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschland (SED), ab 1976 Mitglied des Parlaments der DDR der Volkskammer, später von 1986 bis 1989 Mitglied des Zentralkomitees der SED, geschrieben.
Das Zeichentalent von Willi Sittes wurde früh in der Schule erkannt, ein Lehrer geförderte ihn. Ab 1936 studierte er als drittes Kind eines sudetendeutschen Bauern geboren an der Kunstschule in Reichenberg Textilmusterzeichner. Der Vater ist Gründungsmitglied der Tschechoslowakischen Kommunistischen Partei (KPTsch), das auch sein spätere Willi Sittes Leben bestimmt.
Mit der Zerschlagung der Tschechoslowakei durch Hitler Deutschland wurde das Sudentenland dem Deutschen Reich angegliedert. Nun ist Willi Sitte Reichsdeutscher, erhält 1940 eine Empfehlung für die Hermann-Göring-Meisterschule für Malerei in Kronenburg in der Eifel zu lernen. Nur Willi Sitte übt Kritik an die Aufgaben der Studenten, das führt zum Eklat, statt zu Studium bekommt die Einberufung zur Wehrmacht an die Ostfront. Hier an Gelbsucht erkrankt erfolgt nach Heimaturlaub, dann seine Kommandierung an die Front in Italien. Nicht vom Krieg begeistert, desertiert, wechselt 1944 die Seite, schließt sich in Bologna Garibaldi-Partisanen an. Ab 1945 ist er in Montecchio Maggiare wird Mitglied des „Komitee der Nationalen Befreiung vom Faschismus“. Es entsteht hier sein siebenteiliger Totentanz-Zyklus »Denza funebre del Terzo Reich«, für das Rathaus malt er Wandbilder. Die Stadt ernennt Willi Sitte Jahre später, im Jahr 2008, zum Ehrenbürger. Bis 1946 lebt er hier, geht nach Kratzau zurück, muss aber die Tschechoslowakei verlassen geht in der Sowjetische Besatzungszone in die Stadt Halle/Saale und wird Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschland (SED). Diese Stadt wird für den am 28. Februar 1921 in Kratzau gebronen Willi Sitte bis zu seinem Tod am 8. Juni 2013 der Lebensmittelpunkt.
Ab 1951 hat Sitte an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein einen Lehrauftrag. Das ist der ruhendende Punkt in seinem Leben, später, 1959, Professor an der Burg Giebichenstein. Dann der Einstieg 1964 in die Politik.
Der nach dem 3. Oktober 1990 als Staatskünstler Willi Sitte löst über Kunst wie den sozialistischen Realismus eine unwürdige Diskussion hierzulande aus. In der DDR geisterte bereits vor der Wende der Satz: »Lieber vom Leben gezeichnet als von Sitte gemalt«. Er entwickelte die Kunst weiter, gehört mit zu den großen Malern der DDR wie Werner Tübke, Bernhard Heisig und Wolfgang Mattheuer. Nicht aufgeklärt waren die DDR-Bürger über Sittes. Diese drei, Heisig, Tübke und Mattheuer nahmen Abstand von der DDR, zahlten das Geld ihrer Staatspreise ohne Aufforderung freiwillig zurück. Das habe bei Bernhard Heisig im November 1989 in Leipzig erlebt.
Sein Bekenntnis zum Sozialismus und seine Parteikarriere lösten nach dem 3. Oktober 1990 in der vereinigten Bundesrepublik große Diskussionen aus, Sitte wurde zum Parier. Er innert sein an den Kunststreit im Sommer 1990 in dem der Maler Georg Baselitz in der Kunstzeitung „art“ aus Verlag Gruner + Jahr – stern ebenso aus dem Verlag wollte die gefälschten Hitler-Tagebücher veröffentlichen – erklärte: »…es gibt keine Künstler der DDR«.
Das Buch klärt über Willi Sitte und die Kunst der DDR, das aus nicht kunstwissenschaftlicher Sicht auf.
khw
Aron Boks: NACKT IN DIE DDR
Verlag Harper Collins, Hamburg 2023
400 Seiten – geb. – 24,00 EUR
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