02.05.2023
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EVI SIMEONI: HÖLLENJAHRE – Die Briefe meines Onkels aus dem Krieg 1939 – 1945
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Die Autorin Evi Simeoni, 1958 in Stuttgart geboren, arbeitet als Journalistin und Schriftstellerin. Über 30 Jahre war sie Sportreporterin für die Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wurde für ihre journalistische Arbeit unter anderem auch mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet. Gemeinsam mit Isabell Werth schrieb sie das Sportbuch «Vier Beine, meine Seele». In den Jahren 2012 und 2015 veröffentlichte sie die Sportromane «Schlagmann» und «Rückwärtssalto».
In ihrem jüngsten Buch «HÖLLENJAHRE» schreibt sie über ihre Familie, liefert den Hintergrund, was über Jahrzehnte die Familie so wütend machte. Sie schreibt: «Besonders in meiner Kindheit war diese Wut zu spüren. Ständig platzte jemandem der Kragen. Nur meiner Mutter nicht, die in kritischen Momenten in ein bleiernes Schweigen verfiel, was die Ausbrüche der anderen noch anstachelte. So, als ließe sie uns stellvertretend für sich selbst aus der Haut fahren.
Was sich bis heute zeigt: Die unheimliche Wut hat den Verhältnissen untereinander nicht gutgetan. Mit den Jahren wurde sie stiller, blieb aber allgegenwärtig. Sie wartet geduldig im Hintergrund auf Stichworte, um sich wieder zu erkennen zu geben. Jedes Mal kostet es enorme Kraft, sie zu beherrschen.
Es vergingen Jahre bis zu dem Tag, als ich plötzlich einem der Hauptgründe dieser Wut auf die Spur kam: Das ist der Tod meines Onkels Heinz, des Bruders meiner Mutter, der im Zweiten Weltkrieg Soldat war, im Alter von 23 Jahren und fast neun Monaten sterben musste. „Er wurde uns weggeschossen“, sagte meine Mutter immer. Ich habe ihn also nicht kennengelernt. Er wurde mit 18 Jahren zum Wehrdienst eingezogen, von der Schulbank weg, wie es in der Familie immer hieß, und fünfeinhalb Jahre später kurz vor Kriegsende in Schlesien von einem Scharfschützen getötet.»
Erst im Jahr 2020 las sie die umfangreiche Korrespondenz ihres Onkels Heinz, empfand es als Reise in ihr eigenes Inneres, in deren Verlauf die Gegenwart langsam verschwand, zumal keine Person, die in den Briefen erwähnt werden, noch lebt. Evi Simeoni schreibt weiter: «Ich begriff, dass Heinz Meyer einst das Licht und die Hoffnung seiner Familie gewesen und sein Verlust furchtbar war. Nun verstand ich besser, was meine Mutter – Elfriede – kurz vor ihrem Tod im Jahr 2012 aufgeschrieben hatte: „Tatsache ist, dass im Alter die Kriegserlebnisse wieder hochkommen und die Wut über die Sinnlosigkeit der Opfer von Jahr zu Jahr immer stärker in dir hochkocht.“»
Die Briefe ihres Onkels werden von der Autorin mit geschichtlichen Anmerkungen versehen, von NS-Propaganda befreit und in Frage gestellt. Auch der evangelische Trauergottesdienst am 10. Juni 1945 für ihren Onkel ist geprägt vom Hang der Nazi-Ideologie und dem Hang zur Selbstbetäubung.
Das Buch zeigt, wie die NS-Kriegspropaganda wirkte und wie unmenschlich dieser Krieg war, alle Kriege sind.
khw
EVI SIMEONI: HÖLLENJAHRE
Die Briefe meines Onkels aus dem Krieg 1939 – 1945
Piper Verlag, München 2023
316 Seiten – zahlreiche Fotos – 22,00 EUR
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