12.04.2023
Revolution und Reaktion
Die Anfänge der NS-Bewegung im bayerischen Oberland von 1919 bis 1923

Vier Frauen: Edith Raim, Susanne Meinl, Marion Hruschka und Ulrike Haerendel zeichnen als die Herausgeberinnen des Bandes über die Anfänge der NS-Bewegung von 1919 bis 1923 im bayerischen Oberland. In der Einleitung schreiben sie: «Obwohl es an Gesamtdarstellungen wie auch Spezialstudien zur Weimarer Republik nicht mangelt und die zeithistorische Zunft gern eine Epoche für endgültig »ausgeforscht« erklärt, zeigt der genauere Blick, wie viel noch unbekannt ist. Zwar ist der »Sonderweg« Bayerns in den Jahren von 1918 bis 1923 allgemeiner Konsens, doch was genau das auf dem Land, abseits der Metropole, bedeutete und welche Wechselwirkungen es zwischen Stadt und Land gab, ist deutlich weniger offensichtlich.» Und weiter: «Der vorliegende Band konzentriert sich auf ein Randgebiet des Deutschen Reiches, nämlich die vier das bayerische Oberland bildenden damaligen Bezirksämter Bad Tölz, Garmisch, Miesbach und Weilheim (in großen Teilen die jetzigen Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen, Garmisch-Partenkirchen, Miesbach und Weilheim-Schongau). Diese oberbayerische Region im äußersten Süden des Reichs, die sich heute durch hohe Lebensqualität und Wohlstand ihrer Bewohnerinnen und Bewohner auszeichnet, war Anfang der 1920er-Jahre ein Stiefkind der Moderne. Die Industrialisierung, die seit Ende des 19. Jahrhunderts weite Teile des Reichs erfasste, war nicht bis hierher vorgedrungen, Infrastruktur und Mobilität hinkten ebenfalls hinterher. Die Menschen betrieben im Wesentlichen Subsistenzwirtschaft und lebten wie ihre Vorväter von dem, was das Land hergab: Land- und Forstwirtschaft, an einigen Orten Kohleabbau. In den kleinen Marktflecken dominierten Einzelhandel und Handwerk. Größere oder innovative Unternehmen gab es kaum.

Mit dem Fremdenverkehr, der Ende des 19. Jahrhunderts diese Orte erreichte, änderte sich vieles: Der Tourismus brachte einerseits dringend benötigtes Kapital, andererseits auch die Begegnung mit Menschen aus anderen Teilen des Reiches, deren Leben sich von dem der Oberländler deutlich unterschied.

Das Aufeinanderprallen von Moderne und Tradition, wie es sich in diesen Jahren besonders im bayerischen Oberland vollzog, beschreibt plastisch Lion Feuchtwanger in seinem Roman «Erfolg». Er schreibt: «Die Bayern knurrten, sie wollten nicht in die Ferne schauen und was lag ihnen an einem sinnvolleren Europa.» Mit seiner Spurensuche dokumentiert der Band die Entwicklung Nazibewegung. Der Schriftsteller Lion Feuchtwanger, am 7. Juli1884 in München geboren, musste als Jude vor den Nazis fliehen, emigrierte 1941 in die USA, wo er am 21. Dezember 1958 in Los Angeles starb.

Der Band „Revolution und Reaktion“ dokumentiert lesenswert diese Entwicklung.
khw


Revolution und Reaktion
Die Anfänge der NS-Bewegung im bayerischen Oberland
1919 bis 1923

Allitera Verlag, München 2023
384 Seiten – reich illustriert – 35,00 EUR