08.04.2023
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Matthias Bormuth: Zur Situation der Couchecke – Martin Warnke in seiner Zeit
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Der Kunst- und Kulturhistoriker Martin Warnke - geboren 1937, aufgewachsen in Brasilien - gehört zu den intellektuell prägenden Personen der letzten Jahre. Der Aufklärer pocht im Namen des Individuums auf die Anatomie der Kunst. Karl Marx las gegen den Strich. Mit bildenden Künstlern wie Rubens, Lucas Cranach, Velázquez oder Goya spürte er künstlerischen Taktiken im Umgang einer heiklen Wirklichkeit nach. Nur gibt es die?
Der Autor Matthias Bormuth porträtiert Martin Warnke sein Werk anhand von persönlichen Briefen und Notizen. - Martin Warnkes Vater war Pfarrer. Er wanderte 1936 zu einer Kolonie von Deutschen in Brasilien aus. Um den Sohn vom brasilianischen Wehrdienst zu befreien, schickten sie ihren Sohn 1952 von Ijui/Brasilien zum Studium in die Bundesrepublik Deutschland, wo er Kunstgeschichte, Geschichte und Germanistik in München, Madrid, und Berlin studierte. An der FU Berlin wurde er von Hans Kauffmann mit der Arbeit „Kommentare zu Rubens“ promoviert. Von 1964/65 absolvierte Martin Warnke ein Volontariat an den Berliner Museum. Im April und Mai schreibt er von der Beweisaufnahme des Auschwitz-Prozesses in Frankfurt/Main für die Stuttgarter Zeitung. An der westfälischen Wilhelm-Universität in Münster habilitierte er sich mit der Schrift „Organisation der Hofkunst“. Professor für Kunstgeschichte an der Universität Marburg ab 1971 bis 1978. Ab 1979 lehrt Warncke bis zu seiner Emeritierung im Frühjahr 2003 an der Universität Hamburg. Am 11. Dezember 2019 stirbt Martin Warncke im Alter von 82 Jahren in Halle an der Saale.
Der Kulturwissenschaftler Matthias Bormuth hat unter dem Titel „Zur Situation der Couchecke“ einen Band über Martin Warnke geschrieben, das ihn umfassend würdigt. Er schreibt: «Letztmals äußert sich Martin Warnke zu Aby Warburg im Jahr 2016, als er anlässlich des 150. Geburtstags gebeten wird, als Impulsgeber der Hamburger Renaissance am Londoner Warburg Institute zu sprechen. Auch hier illustriert eine Anekdote sein Anliegen. Lakonisch erzählt er dem Festpublikum von Warburgs Schnecke, einem Briefbeschwerer aus Messing, der auch ein Handschmeichler sein könnte. Es handelte sich um ein Geschenk, das Carl Georg Heise seinem Freund in Hamburg gemacht hatte.
Später sei Warburgs Schnecke in den Besitz von Eckhard Schaar, dem Leiter des Hamburger Kupferstichkabinetts, übergegangen. Dass die schillernde Reliquie nach dessen Tod nicht ins Warburg-Haus kam, war für Martin Warnke eine Enttäuschung. Aber die Sache nahm eine überraschende Wende, als sich Jahre später die Schwester des Verstorbenen mit den Worten bei ihm gemeldet habe, dass der Bruder ihr mahnend im Traum erschienen sei: „Du hast noch immer die Schnecke, Du weißt aus meinem Testament, dass ich sie nach meinem Tode in das Warburg-Haus gebracht wissen wollte!“ Die obskure Begebenheit unbewussten Ursprungs erscheint nicht untypisch für Aby Warburg und lässt Martin Warnke vieldeutig nach Herkunft und Bedeutung der Schnecke fragen. Im Reigen der illustren Vermutungen erwähnt er besonders den emblematischen Gedanken des „Omnia mea mecum porto“, den man mit dem Schneckenhaus verbindet. Dieses „Alles Meinige trage ich bei mir“ mag auch eine stille Erinnerung an den Vater sein, die mit Wilhelm Raabe auch von Matthias Claudius’ Wandsbecker Boten und dessen gleichlautendem Wahlspruch zehrte.» Lesenswert.
khw
Matthias Bormuth: Zur Situation der Couchecke
Martin Warnke in seiner Zeit
Berenberg Verlag, Berlin 2022
224 Seiten – 25,00 EUR
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