23.02.2023
Kunstverein Talstraße in Halle: WIEDER SEHEN
Berliner Künstlerinnen und Künstler treffen Helga Paris

Bis zum 5. Februar 2023 gab es die Ausstellung – es ist der vorzügliche Katalog, der die Ausstellung wieder entstehen lässt. Die Ausstellung der Fotografin Helga Paris gewidmet, die über die Jahre Berliner Künstlerinnen und Künstler mit einer Nikormat später mit einer Nikon auf ORWO NP 20 oder höher fotografierte, keine reinen Portraits. In den Reigen der Künstler, die sie fotografierte: Christa Böhme, Manfred Böttcher, Wilfried Fitzenreiter, Dieter Goltzsche, Sabina Grzimek, Wolfgang Leber, Harald Metzkes, Ronald Paris, Charlotte E. Pauly und Núria Quevedo.

Im Vorwort des Katalogs schreibt der Vorsitzende des Kunstvereins Talstraßen Matthias Rataiczyk: «Welch ein Wiedersehen – diese Begegnung mit Werken von Christa Böhme, Manfred Böttcher, Wilfried Fitzenreiter, Sabina Grzimek, Dieter Goltzsche, Wolfgang Leber, Harald Metzkes, Charlotte E. Pauly, Ronald Paris und Nuria Quevedo! Auf besondere Weise sind sich alle der genannten Künstlerinnen und Künstler nahe gewesen bzw. sind es sich bis heute. Zudem eint sie ihre Vertrautheit mit der Fotografin Helga Paris. Viele von ihnen verbindet mit ihr eine jahrzehntelange Freundschaft. So sind sie und ihre Porträt- und Atelieraufnahmen der beteiligten Akteure eine Klammer, die einen Einblick in das künstlerische Leben der 1960er bis 1990er Jahre geben.

Berlin war traditionell nicht nur ein Ort für die Freiheit, sondern auch ein besonderer Brennpunkt harter künstlerischer Auseinandersetzungen. Erinnert sei an die skandalisierte erste Ausstellung Edvard Munchs im Jahr 1892, an die sezessionistischen Streitigkeiten und an das Wirken der Novembergruppe. Die nationalsozialistische Aktion „Entartete Kunst“ beendete die Avantgarde der Weimarer Republik. Später in den 1950er Jahren tobte nicht nur im Osten der Streit um die einzige wahre Kunst. Die Richtungskämpfe zwischen Figuration und Abstraktion erhitzten durchaus auch im Westen die Gemüter. Seit Anfang des Jahres 1955 wurden diese zwischen Karl Hofer und dem Kunsthistoriker Will Grohmann polemisch und bis zur persönlichen Verletzung in der Öffentlichkeit ausgetragen. Hofer, der unter den Nazis als „entarteter Künstler“ verfemt worden und bis zu seinem Tode Vorsitzender des Deutschen Künstlerbundes sowie Direktor der Hochschule für bildende Künste (Berlin-West) war, hatte sich enthusiastisch für einen „vermenschlichten“ neuen Realismus eingesetzt. Die Mehrzahl der vorgestellten Künstlerinnen und Künstler erlebten diese Auseinandersetzungen sehr bewusst.

lm Ostteil Berlins entstand bereits 1946 eine eigene Kunsthochschule, die später als Hochschule für bildende und angewandte Kunst Berlin-Weißensee bekannt werden sollte. Einer der frühen Studierenden war seit 1953 Ronald Paris (1961–1976 mit Helga Paris verheiratet), aber auch Núria Quevedo, Sabina Grzimek und Wolfgang Leber starteten hier. Mit der Aufnahme von Meisterschülerinnen und Meisterschüler an der Deutschen Akademie der Künste zog es junge, selbstbewusste Künstler aus der Provinz nach Ostberlin. 1955 kamen von der sächsischen Hochschule für Bildende Künste Manfred Böttcher sowie Harald Metzkes und 1958 Dieter Golzsche. Sie brachten frischen Wind aus Dresden in die Stadt.

Mit Wilfried Fitzenreiter kam 1961 ein ehemaliger Burg-Schüler an die Deutsche Akademie der Künste. Bis 1958 hatte er an der heutigen Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle bei Gustav Weidanz und Gerhard Lichtenfeld studiert. Die Berlinerin Christa Böhme studierte u. a. an der heutigen Universität der Künste und kam auf dem Umweg über Hamburg erst 1964 zurück nach Berlin, wo sie sich mit dem Maler Lothar Böhme eine Existenz aufbaute.

Charlotte E. Pauly, die u. a. 1922 bis 1924 an einer privaten Malschule in München studiert hatte, trieben die Wirren des Zweiten Weltkrieges aus ihrer Heimat in Schlesien nach Berlin, wo sie sich mit 60 Jahren noch einmal völlig neu finden musste.

Zu all diesen pflegte Helga Paris seit Ende der 1960er Jahre als wache Beobachterin enge Kontakte. So entstanden sehr eindrückliche Porträtaufnahmen, die von einer großen Nähe der Fotografin zu den in der Ausstellung eingebundenen Künstlerinnen und Künstlern zeugen.»

Die Ausstellung in der Talstraße spiegelt auch ein großes Stück der Kulturgeschichte der DDR wider, zeigt aber auch, was möglich war. Die Fotografin Helga Paris war in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts als Autodidaktin zur Fotografie gekommen, verband ihre Arbeit stets eng mit dem Interesse am Menschen.
khw


Kunstverein Talstraße Halle: WIEDER SEHEN
Berliner Künstlerinnen und Künstler treffen auf Helga Paris

Der umfangreiche Katalog reich illustriert 160 Seiten – 29,90 EUR
erhältlich über den Kunstverein Talstraße – 06120 Halle