31.10.2022
Franco Supino: Spurlos in Neapel – Roman

Der Autor Franco Supino ist der Sohn italienischer Eltern, wurde am 27. Juli 1965 in Solothurn geboren, ist somit ein Schweizer Schriftsteller. Supino wuchs zweisprachig auf, studierte nach seinem Abitur an den Universitäten Zürich und Florenz Germanistik und Romanistik. Heute arbeitet er an der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz, die getragen wird von den Schweizer Kantonen Aargau, Basel-Stadt, Basel-Land und Solothurn als Dozent. Zwischen 1983 und 1990 schrieb er mehrere Features, Rundfunkerzählungen und ein Hörspiel für das Schweizer Radio DRS. Franco Supinos erster Roman »Musica Leggera« wurde 1995 veröffentlicht, seitdem erschienen 5 weitere Romane. Es sind verschiedene Künstlerbiografien und Migrationsgeschichten, über die er seine eigene Geschichte erforscht.

Als Kind plagte ihn die Frage, was wird aus ihm, wenn seine Eltern wieder nach Neapel zurückgehen? Franco Supino hatte große Angst davor, die Schweiz wie alle seine Freunde hier zu verlieren. Die große Befreiung kam für die Jungen am 23. November 1980, als mit Erdstößen der Stärke 6,89 auf der Momenten-Magnituden-Skala die Erde in Italien erschütterte. Das Erdbeben, kurz Irpinia-Erdbeben traf Kampanien und Basilicata, besonders betroffen war die Region zwischen Neapel und Potenza. Damit wurden Rückkehrpläne der Eltern nach Neapel Makulatur.

Viele Jahre später, der Vater ist verstorben, begibt sich der Erzähler – Franco Supino – auf eine Spurensuche nach Neapel. Er spricht wohl ihre Sprache, aber die Gesetze hier sind ihm fremd. Unter den zahlreichen Geschichten, die er in Neapel hört, lässt ihn eine nicht mehr los, es ist die Geschichte von Antonio Esposito. Das ist ein gestohlenes Migrantenkind aus Westafrika, das von einer Camorra-Familie aufgenommen wurde, eine kriminelle Karriere machte. Dann verschwindet Antonio Espositio spurlos. Aber was ist aus diesem Antonio geworden? Ist er tot? Hat er eine neue Identität angenommen? Oder ist er untergetaucht, ein hoffnungsloser Namenloser unter Tausenden von afrikanischen Migranten?

Mit einem unsentimentalen Blick sieht Franco Supino das schöne wie abschreckende Neapel. Was er über den verschwundenen Protagonisten Antonio Esposito in Erfahrung bringt, ergibt keine lückenlose Geschichte, sondern ist ein faszinierendes Vexierbild. Die Figuren, die Supino, die in Neapel leben, gehören zum Proletariat, sind Künstler, Handwerker oder Heilige oder Helden der Vergangenheit. Es verbindet sie allein die Zuversicht: »Der Vesuv dampft? Explodieren wird er erst morgen!«. Lesenswert.
khw


Franco Supino: Spurlos in Neapel – Roman

Edition Blau Verlag Rotpunktverlag, Zürich 2022
Herausgabe unterstützt durch Pro Helvetia
256 Seiten – gebunden – 29,00 EUR