20.11.2022
Claudius Seidl: HELMUT DIETL – Der Mann im weißen Anzug – Die Biografie

Die Biografie von Claudius Seidl über Helmut Dietl ist zugleich ein Künstlerportrait, ein Münchener Stadtportrait und eine Zeitbeschreibung. Kurz vor seinem Tod wurde Helmut Dietl am 9. Mai 2014 von der Deutschen Filmakademie für sein Lebenswerk geehrt. So verehrten seine Kolleginnen und Kollegen sein künstlerisches Werk von unvergesslichen Meisterwerken wie die «Münchener Geschichten», «Der ganz normale Wahnsinn», «Monaco Franze», «Kir Royal», «Schtonk!» und »Rossini«. Für seine preisgekrönten Filme verarbeitete immer eigene Erfahren seines Lebens.

Helmut Dietl wurde am 22. Juni 1944 in Bad Wiessee am Tegernsee geboren, wuchs nach der Scheidung seiner Eltern bei seiner Mutter und den beiden Großmüttern auf. Nach seinem Abitur am Realgymnasium in Schwabing studierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte. Nach dem Studium wurde Dietl Aufnahmeleiter beim Fernsehen und später Regieassistent bei den Münchener Kammerspielen. Ab 1974 debütierte er im Vorabendprogramm des Bayerischen Fernsehens mit den »Münchener Geschichten«. Es waren Helmut Dietls Beobachtungen der Münchener Gesellschaft, ein Thema, das ihn lebenslang begleitete. Sein Durchbruch kam mit der TV-Serie »Der ganz normale Wahnsinn«, die 1979 als abendfüllender Film im Kinos liefen und ausgezeichnet wurde mit dem Deutschen Filmpreis. Nach seinem Intermezzo in Los Angeles von 1979 -1983 kehrte er in die Bundesrepublik zurück. Für die ARD begann er mit der Herstellung der zehnteiligen Vorabendserie »Monaco Franze – Der ewige Stenz«, die 1983 gesendet wurde. Dem folgte der Mehrteiler »Kir Royal« für den Westdeutschen Rundfunk. Seit dieser Serie galt Helmut Dietl als einer der bekanntesten Fernsehregisseure hierzulande. Auch TV-Werbespots drehte er so für die ARD-Fernsehlotterie und den Gummibärchen von Haribo-Süßwarenfirma.

Am Ende heißt es in Claudius Seidls Biografie: »Helmut Dietl war der Monaco Franze. Helmut Fischer war der Monaco Franze. Und jeder Zuschauer ist der Monaco Franze, wenn er sich nur der Inszenierung hingibt.

Manchmal sieht es so aus, als ob München verschwände: als ob diese Stadt, die für Helmut Dietl ein Weltmodell und eine hassgeliebte Heimat war, die Stadt, aus der er selbst dann noch seine Kraft schöpfte, wenn er sie abwies und widerlegen wollte, dieser Ort, der eigentlich schon vergangen war, als Dietl noch zur Schule ging und von der Schwabinger Boheme der vorletzten Jahrhundertwende träumte, die schöne, heitere, grantige, hinterfotzige, schicke, verlogene und deshalb so begehrenswerte Stadt nicht mehr viel Zukunft hätte. Aber wenn die Innenstadt zur Investorenhölle geworden ist und in den schicken neuen Häusern nur noch das Geld wohnen wird, das in Griechenland, Russland oder Arabien an der Steuer vorbeigeschmuggelt wurde; wenn die letzten Münchner nach Augsburg oder Rosenheim gezogen sein werden, weil sie sich selbst die Vorstädte nicht mehr leisten können; wenn die letzten Wirtshäuser die Innereien von der Speisekarte streichen und die letzten Bohemiens nach Leipzig umgezogen sind: Dann wird von München bleiben, was Helmut Dietl darin sah und was er dort inszenierte. A Riesensach!« – Lesenswert.
khw


Claudius Seidl: HELMUT DIETL
Der Mann im weißen Anzug – Die Biografie

Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022
344 Seiten – 25,00 EUR