05.09.2022
Sergii Rudenko: SELENSKYJ – Eine politische Biografie

In seinem Buch beschreibt Sergii Rudenko ausführlich und facettenreich, wer der Schauspieler Wolodymyr Selenskyj ist. Im Vorwort des Buches, der Umschlag ist im Militärgrün der ukrainischen Armee, heißt es: »Zu den Klängen des Titelsongs »Ich liebe mein Land ...« aus dem Soundtrack von Diener des Volkes traten am 21. April 2019 um acht Uhr abends Wolodymyr Selenskyj und sein Team vor die Presse. Es war, als würde dieses dümmliche Liedchen in jenem Augenblick nicht nur den siegreichen Kandidaten besingen, sondern auch die 73 % der Wählerschaft, die ihm ihre Stimme gegeben hatten. Ukrainische wie ausländische Journalisten und Journalistinnen, die das Park-Kongresszentrum in der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw füllten, erwarteten voller Ungeduld die Triumphrede des frisch gewählten Präsidenten. Selenskyj strahlte. Und mit ihm alle, die ihn zum Sieg begleitet hatten: Andrij Bohdan, Dmytro Rasumkow, Kyrylo Tymoschenko, Andrij Jermak, Oleksandr Danyljuk und Wolodymyrs Frau Olena. Es regnete Konfetti, der Saal kochte, und es fehlte nicht viel und der präsidentielle Stab hätte begonnen zu tanzen.

»Das haben wir gemeinsam geschafft …« - in dem ihm eigenen Duktus begann Selenskyj seine Rede. Ganz, wie es einem Schauspieler bei der Oscarverleihung gebührt, dankte er zuerst seinem Team, der Familie, Freunden, seiner Frau Olena und sogar zwei Reinigungskräften namens Oksana und Ljuba, die in den Büros seines Stabes für Ordnung gesorgt hätten. Er erinnerte auch an den symbolträchtigen 73. Block im Olympiastadion, vor dem er gemeinsam mit seinem Team den berühmt-berüchtigten Wahlkampfspot »Dann eben im Stadion« gedreht hatte.« Nach seiner etwas eigenartigen Einführung blättert und erklärt der Autor die politische Absicht des neuen Präsidenten der Ukraine. Selenskyj hat die Direktwahl gegen den Parteivorsitzenden der „Europäischen Solidarität“ Petro Poroschenko, am 21. April 2019 mit dem schlechtesten Wahlergebnis, das ein Kandidat je in einer Stichwahl erhielt gegen den politischen Quereinsteiger Selenskyj. Proroschenko war der Inhaber der Unternehmensgruppe Ukrprominvest der Beteiligungen im Auto- und Schiffsbau, Rüstung, Fernsehsender und Schokoladenherstellung gehören. Wolodymyr Selenskyj, am 25. Januar 1978 in der Ukrainischen SSR der UdSSR in Krywyj Rih geboren. Er studierte Jura in der Ukraine und Russland, wurde dann Schauspieler, Komiker, Synchronsprecher, Regisseur, Fernsehmoderator, Filmproduzent und war sein eigener Drehbuchautor. Den zweiten Wahlgang gewann der Medienmann in der Stichwahl am 21. April mit etwa 73 Prozent der abgegebenen Stimmen vor Poroschenko. Seit dem bestimmt Selenskyj, der zur Wahl versprach, den Krieg im Donbass zu beenden, was bis heute nicht geschehen ist. Kurz nach seiner Wahl als Präsident löste er das Parlament auf, gewann mit seiner Neugegründeten Partei »Sluha narodu« übersetzt Diener des Volkes, am 21. Juli 2019 254 Sitze von 424 Sitzen im Parlament. Seitdem hat sich der Wind gedreht. Heute befindet die Ukraine befindet sich im Krieg – Russland gegen die Ukraine.

In 38 Episoden blättert der 1971 im noch sowjetischen, heute ukrainischen Kyjiw geborene Sergii Rudenko Selenskyj Werdegang auf. Der Buchautor gewann einen Wettbewerb über den Sieg gegen den Deutschen Faschismus, studierte in Kiew Journalismus, war für das Goethe-Institut tätig. Seine Laufbahn als Journalist begann 1992 als Korrespondent der Tageszeitung »Dobryi Den«, ab ist er 2015 Chefredakteur des TV-Sender »Espresso TV«, der aus der Maidan-Bewegung hervorging. Die Hintergründe der 100 Toten ab Februar 2014 auf dem Maidan und den Toten beim Brand des Gewerkschaftshauses in Odessa wurden bisher nie aufgeklärt. Tatsache ist, dass die USA mit einer Millionen-Dollarhilfe den politischen Wechsel in der Ukraine bestimmte.

Das konnte noch nicht im Buch stehen, die Umbenennung von Straßen in Kiew. Der ehemalige Boxer Vitali Klitschko ist heute Bürgermeister von Kiew, er verkündete die Umbenennung der Straßen, die sein folgsamer Stadtrat beschlossen hat. Es sind Namen, die an die Sowjetunion und Russland erinnern. Aussortiert sind die Namen Alexander Puschkin und Lew Tolstoi. Verschwunden auch Karl Marx, Friedrich Engels und Anarchist Michail Bakunin. Geerbt haben Straßen mit diesen Namen: »Straßen der Helden von Mariupol«, »Melitopoler Partisanenboulevard« und »Straße der Helden des Regiments Asow«. Keine Entwicklung nach rechts in der Ukraine? - Eine lesenswerte Selenskyj Biografie.
khw


Sergii Rudenko: SELENSKYJ – Eine politische Biografie

Carl Hanser Verlag, München 2022
240 Seiten - 24,00 EUR