13.09.2022
MICHAEL KRÜGER – Über Gemälde von GIOVANNI SEGANTINI

Der Autor Michael Krüger, am 9. Dezember 1943 in Wittgendorf im Preußischen Landkreis Zeitz geboren, ist aufgewachsen in Berlin-Nikolassee in einer protestantischen Familie, sang im Kirchenchor, war Mitglied der Christlichen Jungenschaft. Nach seinem Abitur lernte er im Herbig Verlag den Beruf eines Verlagsbuchhändlers, war Gasthörer der Philosophie an der Freien Universität Berlin, ab 1962 Buchhändler für 3 Jahre in London. 1968 Lektor beim Carl Hanser Verlang in München, dann von1996 literarischer Leiter des Verlages aus dem er 2013 ausschied. Bereits 1973 gründete Krüger u.a. gemeinsam mit Martin Gregor-Dellin, Jürgen Kolbe, Paul Wühr, Günter Herburger, Tankred Dorst und Peter Laemmle die erste genossenschaftlich organisierte Autorenbuchhandlung. Der in München lebende Krüger ist Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und des Pen Zentrum.

Über den Maler Giovanni Segantini und seinen Gemälden schreibt Michael Krüger: »Seit ziemlich genau fünfzig Jahren liebe ich das malerische Werk von Giovanni Segantini. In meiner Jugend hatte sein Bild „Rückkehr in die Heimat“ von 1895 im Museum Dahlem mich auf eine seltsame Weise angezogen, so dass ich jahrelang behauptete, der Maler müsse (psychisch oder seelisch) etwa so gewickelt sein wie ich. Zwei Postkarten kamen hinzu (Strickendes Mädchen, 1888 und Alpenweide, 1893-95), die von meiner alles andere als heimlichen Liebe wussten, ich sah weitere Bilder bei Museumsbesuchen hier und da. Aber ich wollte nicht aufdringlich sein und respektierte den Wunsch des Malers, ihn in Ruhe zu lassen.

Wahrscheinlich war ich der einzige Mensch, der sich in seiner Nähe wohlfühlte, obwohl dieser Einsiedel - wie mir schien - nicht viel zur Aufgeregtheit der Zeit zu sagen hatte.« Weiter schreibt er: »Ich glaube, es war im schönen, anstrengenden Jahr 1968, als ich in der Pinakothek in München das Bild „L'aratura“ sah: ^. Es schlug ein wie der Blitz. Ich kam ja selber vom Lande und hatte gesehen, wie nach dem Krieg das Feld bestellt wurde, zum Teil mit abenteuerlichem Gerät, weil es in der sowjetischen Besatzungszone keine Ersatzteile gab. Und wo bei Segantini die beiden Rösser den Holzpflug ziehen, mühten sich in dem Dorf meiner Kindheit zwei Kühe ab, den Boden zu umbrechen.« Woher seine Liebe zu den Bildern von Giovanni Segantini kommen hat Michael Krüger nie herausgefunden. In allen Facetten stellt er den Lesern den Maler vor.

Giovanni Segantini wurde am 15. Januar 1858 in Arco, das zu dieser Zeit zu Tirol im Kaiserlichen Österreich gehörte, geboren. Sein vollständiger Name lautet: Giovanni Battista Emanuele Maria Segantin, war ein Welschtirol als österreichischer Staatsbürger. Er war ein Maler des realistischen Symbolismus und begann früh mit der Freilichtmalerei.

Seine Kindkeit war tragisch. Die Mutter stirbt früh, sein alkoholkranker Vater gab ihn zu Pflege zu seiner Tochter aus erster Ehe. Die fand ihren Stiefbruder als Belastung. Der Hass der Halbschwester ging so weit, dass sie die Börden in Innsbruck mit einem Schreiben dazu auffordert, Giovanni die österreichische Staatsbürgerschaft zu entziehen. Was auch geschah, denn die repressiven Gesetze des damaligen Kaiserreichs Österreich galten auch in den italienischen Herrschaftsgebieten. Damit blieb er sein ganzes Leben staatenlos. 1870 wurde er von der Polizei ohne Papiere aufgegriffen, landete in der Erziehungsanstalt „Riformatorio Marchiondi“ und lernte den Beruf eines Schusters. Ein alter Priester der Anstalt nahm sich seiner an, erkannte seine zeichnerische Begabung, erlaubte ihn zu zeichnen und modellieren. Es war die Intervention eines Halbbruders Napoleons, das er die Anstalt verlassen konnte, er arbeitet bis 1874 in dessen Photo- und Drogeriegeschäft in Borgo Valsugana bei Trient. Von hier kam er nach Mailand, arbeitet beim ehemaligen Garibaldi-Anhänger Luigi Tettamanzi, der Transparente und Wirtshauschilder malt. Er stellt Giovanni als Gehilfe ein und erteilt ihm Zeichenunterricht. Auch schreibt er sich in die Kunstakademie Brera in Mailand ein. 1879 bekommt er mit einem großformatigen Bild „Chorgestühl von San´Antonio“ durch seine Lichtführung große Aufmerksamkeit. Im Jahr 1880 hat er sein erstes Atelier in der Via San Marco in Mailand. Hier lernt er Luigia Bugatti kennen. Heiraten können die beiden nicht, da Giovanni die entsprechenden Papiere fehlen. Das Paar bekommt 3 Söhne: Gottardo Guido, Alberto, Mario und die Tochter Bianca.

Im August 1894 zog die Familie Savognin in die Schweiz nach Maloja in den Oberengadin in das „Chalet Kuoni“. In diesem Jahr begann der Kontakt zu den Kunsthändlern Bruno Cassierer, Paul Cassierer und Felix Königs in Berlin.

Ab Sommer 1896 arbeitet Savognin in Maloja im Winter in Soglio im Bergell an seinem bekannten Alpentriptychon »Werden – Sein – Vergehen« (La vita – La natura – La morte). Mitte September 1899 steigt Segantini mit Barbara Uffer und seinem Sohn Mario auf den Schafberg um weiter an seinem Triptychon den fast fertigen „Sein“ zu arbeiten. Im Sommer hatte er an „Werden“ und Vergehen“ gearbeitet. Das Triptychon sollte zur Weltausstellung in Paris 1900 fertig sein. Er erkrankt an Bauchschmerzen, ist Müde, Bewusstsein schwangt. Barbara Uffer holt aus St. Moritz den Arzt Oscar Bernhard. Zusammen steigen seine Lebensgefährtin und Arzt zum Kranken hinauf. Eine Hilfe ist unmöglich. Giovanni Segantini stirbt am 1899 im Alter von 41 Jahren an einer Bilddarmentzündung, wird auf dem Friedhof von Maloja begraben.

Mit seinem Buch „Über Gemälde von Giovanni Segantini“ hat Michael Krüger dem Alpenmaler ein würdiges Denkmal gesetzt.
khw


MICHAEL KRÜGER – Über Gemälde von GIOVANNI DEGANTINI

Verlag Schirmer/Mosel, München 2022
203 Seiten - 47 farbige Bilder - 38,00 EUR