13.09.2022
Adelheid Schmidt-Thomé: ICH WAR DIE ERSTE – Bayerische Pionierinnen im Portrait

Adelheid Schmidt-Thomé schreibt im Vorwort: »Auf dem Titelbild dieses Buches ist eine Leichtathletin in Startposition zu sehen, vermutlich aufgenommen, kurz bevor ihr eine Leistung gelungen ist, die in ein »Buch der Rekorde« gehört hätte. Es ist die Münchnerin Maria Kießling: 1920 gewann sie bei den Deutschen Leichtathletikmeisterschaften alle Wettbewerbe, die für Frauen ausgeschrieben waren - und lief im Jahr darauf drei inoffizielle Weltrekorde. Sie haben nie von ihr gehört? Ein Sportjournalist hat ihre Geschichte entdeckt und 2020 vor dem endgültigen Vergessen bewahrt.

Gegen das Vergessen anzuschreiben, das war ein Beweggrund für dieses Buch. Wir wollen von willensstarken, mutigen, zielstrebigen Frauen erzählen, die einen Plan hatten, die etwas erreichen wollten gegen alle Widerstände, die ihnen eine patriarchale Gesellschaft entgegengestellte. Eine Gesellschaft, die weibliche Konkurrenz nicht entstehen lassen wollte, die verhindern wollte, dass Frauen den ihnen vermeintlich zustehenden Platz verließen. Wir stellen 74 »Erste« vor, denen das gelungen ist, die als Erste eine bestimmte Lebensleistung vollbracht haben und damit Pionierinnen waren, vielleicht sogar Vorkämpferinnen für ihre Geschlechtsgenossinnen.

Frauengeschichte kommt nicht aus der Mode. Immer wieder beschäftigen sich Historikerinnen und Schriftstellerinnen und Schriftsteller mit diesem Thema. Neu und einzigartig an unserem Buch ist der Blick auf eine bestimmte Gruppe, nämlich auf Frauen aus Bayern. Explizit nur mit ihnen hat sich noch niemand beschäftigt. Nachdem eine lange Liste der Kandidatinnen erstellt und diskutiert worden ist, war klar, dass das Thema sehr umfangreich ist und es deshalb nötig war, im wahrsten Sinne des Wortes, eine Grenze zu ziehen. Innerhalb der bayerischen Landesgrenze sollte also der Geburtsort der ausgewählten Frauen liegen. Diese bayerische Regionen entsprechen nicht immer den heutigen Reichsstädten wie Augsburg, Bamberg oder Kaufbeuren waren im 18. Jahrhundert historisch betrachtet nicht »bayerisch«, sondern »frei«. Und manche Orte in Rheinland-Pfalz, die zwischen 1816 und 1946 zur »Bayerischen Pfalz« gehörten, sind heute nicht mehr bayerisch. Dennoch sind auch deren Töchter wahre Pionierinnen gewesen, die im Buch nicht fehlen dürfen.

In Kapitel Bildung & Wissenschaft, Wirtschaft & Handwerk, Sport & Flug, Politik & Gesellschaft, Kunst & Kultur ist der Band gegliedert.

Die Geschichte der ersten bayerischen Freischärlerin Mathilde Hitzfeld, sie lebte von 1826 bis 1905, eine außergewöhnliche politische Geschichte. Geboren ist sie in Kirchheimbolanden (heute im Südosten von Rheinland-Pfalz), das von 1816 bis 1946 zur bayerischen Pfalz gehörte. Im »Pfälzischen Aufstand« wurde vom 2. Mai bis 19. Juni 1849 die Gültigkeit der neuen Frankfurter Reichsverfassung verteidigt, die der König Maximilian II. Joseph nicht anerkannte. Gekämpft für die Loslösung von Bayern, so verhängen gemeinsam Preußen und Bayern den Kriegszustand. Es kam, was kommen musste, die preußischen Truppen marschierten ein, auch in Kirchheimbolanden kam es zu Gefechten.

Der Bezirksarzt Ludwig Hitzfeld war Mitglied der »Volksvertretung für die Pfalz«, war wie seine Frau und Tochter Mathilde demokratisch und liberal. So beteiligten sich beide an den Aktivitäten der Deutschen Revolution 1848/1849. Die Aufständischen hatten ein leerstehendes Schloss als ihr Hauptquartier. Tochter Mathilde versorgte die Revolutionäre mit Essen, halfen beim Bau von Barrikaden im Schlosspark. Am 12. Juni 1849 hielt Mathilde Hitzfeld vor der Revolutionstruppe eine Rede. Es gibt eine Abbildung, die zeigt, wie sie die schwarz-rot-goldene Fahne schwingend die Revolutionäre anfeuerte.

Die Revolution wurde niedergeschlagen, Mathilde Hitzfeld gefangen genommen, wegen revolutionärer Tätigkeit des Hochverrats angeklagt. Der Vorwurf lautete: »Aufforderung zum Kampf gegen die preußischen Truppen wie die Tür zum Keller des Weinhändlers Levi aufgebrochen zu haben, um Fässer zum Barrikadenbau von hier geholt zu haben«. Durch das Amnestiegesetzes kam sie wieder frei, studierte in Heidelberg Medizin. Durch ihr liberal/demokratische Denken war sie für die Obrigkeit weiterhin verdächtig, so wanderte sie in die USA aus, heiratete den emigrierten Maler und Freiheitskämpfer Theodor Kaufmann.

Bis zu ihrem Tod trat sie für Recht und Freiheit ein. In Rheinland-Pfalz tragen heute neun Schulen den Namen von Mathilde Hitzfeld.

Von der Fußballschiedsrichterin, Politiker und Künstlerin gibt der Band Einblick „Ich war die Erste“?
khw


Adelheid Schmidt-Thomé: ICH WAR DIE ERSTE
Bayerische Pionierinnen im Portrait

Allierta Verlag
Ein Verlag Buch &media GmbH – München 2022