19.09.2022
Gottfried Paasche: Hammersteins Töchter – Eine Adelsfamilie zwischen Tradition und Widerstand

Der Autor Gottfried Paasche, Sohn von Maria Therese von Hammerstein und Enkel von Hans Paasche, entwirft ein grandioses Panorama einer Familiengeschichte im 20. Jahrhundert. Wohl war beim Schreiben von „Hammersteins Töchter“ die Geschichte seines Onkels Hans Paasche Pate, der war Marineoffizier, Pazifist und Schriftsteller. 1918 gehörte er für einige Wochen dem Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte in Berlin an. Am 21. Mai 1920 wurde er auf Gut Waldfrieden in Westpreußen ermordet. Die Täter, Mitglieder des Reichswehr-Schutzregiments 4 wurden nie verurteilt. Der deutsche Adel war und blieb auch in der Weimarer Republik konservativ und Adolf Hitler nah. Der Vater der Töchter, Kurt Gebhard Adolf Freiherr von Hammerstein-Equord, war von 1930 bis 1933 Chef der Heeresleitung und gehörte zum militärischen Widerstand gegen Hitler.

Gottfried Paasche ist emeritierter Professor für Soziologie an der York University in Toronto, Kanada, wurde 1937 als Sohn von Maria Therese geb. von Hammerstein und dem Vater Jochen Paasche in Japan geboren. Mit seiner Familie wanderte er 1948 in die USA aus. 1959 studierte er ein Semester in Tübingen und an der Freien Universität in Berlin, studierte dann an der University of Michigan, wo er auch in Soziologie promovierte. Heute lebt er in Boston und auf der Familienfarm im Staat New York.

Der Autor hat in jahrelanger Arbeit die Familiengeschichte aus Archiven und mit Gesprächen zusammengetragen, erzählt facettenreich davon in seinem Buch „Hammersteins Töchter“. Im Vorwort schreibt Gottfried Paasche: »Der Historiker Stephan Malinowski schrieb in seiner im Jahr 2004 erschienenen Studie „Vom König zum Führer“. Deutscher Adel und Nationalsozialismus“ über die Hammerstein-Schwestern: Auf der Suche nach […] gegen den Strom schwimmenden Mitgliedern des Adels stößt man schließlich auf eine Reihe von adligen Frauen, die sich aus eigener Kraft aus den Zwängen der Adelswelt befreit hatten. Neben eindrucksvollen Biografien, bei denen die politische Haltung jedoch unklar bleibt, fallen am äußersten Rande dieses Spektrums die faszinierenden Lebensgeschichten der Schwestern Marie Louise und Maria Therese v. Hammerstein ins Auge, Töchter des 1930–1933 als Chef der Heeresleitung agierenden Kurt v. Hammerstein-Equord.«

Seine Töchter Marie Louise und Maria Therese von Hammerstein schlugen Wege ein, die vom deutschen Adel vor 1945 selten, man kann auch sagen, überhaupt nicht beschritten wurden. Wenig Unterlagen findet Paasche über die dritte Schwester Helga Eleanore. Anders Marie-Louise, sie wird von ihrem Bruder ertappt, als sie im Büro des Vaters gemeinsam mit einem Agenten der Kommunistischen Partei nach Dokumenten über die Aufrüstung des 100 000 Mann Heeres sucht.

Der Autor ist der Sohn von Maria Therese von Hammerstein, ihr widmet er das Buch. Seine Mutter hat im Gegensatz zu ihren Schwestern Marie Louise und Helga Eleanore umfangreiche Aufzeichnungen über sich und der Familie hinterlassen. Diese Aufzeichnungen und das aus unzähligen Quellen zusammenzutragen Material, daraus wurde das Buch. Nicht selten, so schreibt Paasche, habe er sich bei der Arbeit wie ein Archäologe gefühlt, der Geschichten zusammensetzt.

Eine andere Geschichte des Adels, wie sie nie in der Yellow Press steht. Empfehlenswert.
khw


Gottfried Paasche: Hammersteins Töchter
Eine Adelsfamilie zwischen Tradition und Widerstand

Metropol Verlag, Berlin 2022
352 Seite - zahlreiche Fotos - 24,00 EUR