18.07.2022
Gerhard Steidl: Büchermachen mit Günter Grass – Werkkatalog 1986 – 2022

Im Jahr 1968 gründete Gerhard Steidl in Göttingen seinen eigenen Verlag, arbeitet seitdem als Drucker und Gestalter und veröffentlicht weltweit das größte Buchprogramm zeitgenössischer Fotografie mit einem ambitionierten Literaturprogramm. Auch konzipiert und kuratiert der Fotografie-Ausstellungen. Im Jahr 2020 wurde Steidl für »Hervorragende Leistungen für Fotografie« der Sony World Photography Award verliehen. Die Stadt Mainz zeichnete G. Steidl mit dem Gutenberg-Preis aus. Der Drucker und Verleger ist auch der Initiator und Gründungsdirektor des Kunsthauses Göttingen, das 2021 eröffnet wurde. In diesem Jahr kuratierte er das Partnerschafts-Projekt der documenta fifteen »printing futures«.

Dreißig Jahre lang hat Gerhard Steidl für Günter Grass Bücher gemacht. Das war so: Grass rief an, wenn er eine neue Idee hatte. Dann macht sich Gerhard Steidl auf den Weg zum Autor. Im Gepäck ein Blindband, verschieden farbiges Papier und zahlreiche Notizzettel. Der Autor las aus dem neuen Manuskript vor, beide skizzierten die ersten Buchideen, die später in Göttingen umgesetzt werden sollten. Nach dem Ende der Textarbeit kam Grass nach Göttingen in den Verlag und begleitete jede Arbeitsschrift. Vom Buchlayout, die Schrift, Seitengestaltung, Papier bis zum Andruck. Als Letztes dann der Einband und Umschlag. Oft stand Günter Grass selber an der Druckmaschine und begutachtete die ersten Bögen.

Gerhard Steidl schreibt im Werkkatalog über Günter Grass: Er war nicht nur Schriftsteller, sondern er war auch ein Büchermacher: »Die Manuskriptseiten entstanden am Stehpult, laut lesend schrieb Grass seine rhythmischen Texte.

Wenn die erste handschriftliche Fassung im Blindband abgeschlossen war, schrieb er sorgfältig »Ende« dahinter, und ging dann an seine alte Olivetti Reiseschreibmaschine. Dort nahmen die Wörter, die Sätze wieder andere Gestalt an. Der ersten Schreibmaschinenfassung folgte eine zweite, dann eine dritte. An der Wand hing ein Arbeitsplan, der minutiös aufzeigte, wie er vorgehen wollte. Eine Kapiteleinteilung. Genaue Vermerke, wann was fertig war oder was noch zu erledigen ist. (Grass war, was einen Verleger natürlich erfreut, ein unglaublich zuverlässiger Autor, der seine Abgabetermine präzise einhielt.) Spätestens nach der dritten Schreibmaschinenfassung las er vor, zunächst seiner Frau, dann mir, den Lektorinnen und arbeitete handschriftlich Korrekturen ein. Erst danach diktierte er das Manuskript seiner Sekretärin in den Computer. Mit der endgültigen Fassung kam Günter Grass nach Göttingen.«

In dem Werkkatalog werden alle Text-Bild-Bände, die Günter Grass in den Jahren mit Steidl entstanden, farbig vorgestellt. Der Band ist zugleich eine Verbeugung vor dem Künstler Günter Grass, zeigt auch den Zauber eines schönen Buchs im digitalen Zeitalter.
khw


Gerhard Steidl: Büchermachen mit Günter Grass
Werkkatalog 1986 – 2022 - Mit zahlreichen Abbildungen

Vierfarbdruck, Hardcover – 2022Göttingen
136 Seiten – 24,00 EUR