11.07.2022
Michael Uhl: Betty Rosenfeld – Zwischen Davidstern und roter Fahne – Biografie

Der Autor Michael Uhl, geboren 1971 in Stuttgart, studierte Geschichte. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Sonderforschungsbereich 437 der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) promovierte Uhl über „Mythos Spanien. Das Erbe der Internationalen Brigaden in der DDR“. Ein Buch, das sich mit großer Sachkenntnis und Unvoreingenommenheit auszeichnet. Seit 2017 arbeitete er an einer Spurensuche im Rahmen des „Betty-Rosenfeld-Projekt“ in der Bundesrepublik, Spanien, Frankreich, Israel und den USA.

Hierzulande ist es nicht üblich, dass man einer in Auschwitz ermordeten Jüdin, Krankenschwester und Kommunistin eine Biografie widmet. Der Historiker setzt mit seiner Biografie zwischen Davidstern und roter Fahne dem Leben Betty Rosenfeld wie ihrer Familie ein würdiges und bleibendes Denkmal.

In dem Vorwort schreibt Michael Uhl: «L'Étudiant de Salamanque», so lautet der Titel eines unterschätzten Tangos von José Ferrer. Ich hatte seine Melodie im Kopf, als ich im Herbst 1994 mit einer zweitklassigen Gitarre auf dem Rücken in der zentralspanischen Stadt Salamanca ankam. Die Vorlesungen ihrer ehrwürdigen Universität lockten mich nur zum Teil. Meine Leidenschaft galt anderen Dingen. Ich stieg in eine Rock’n’Roll-Band ein, die abends in der Vorstadt in der Garage des Schlagzeugers probte. Außerdem besuchte ich ausgiebig das Bürgerkriegsarchiv in der C/Gibraltar, unterhalb der alten Kathedrale. Schon damals faszinierte mich die Geschichte der Internationalen Brigaden. Auf der Suche nach deutschen Freiwilligen stieß ich eines Tages im Lesesaal im ersten Stock in einem Aktenbündel auf ein vergilbtes Dokument einer Krankenschwester: «BETTY ROSENFELD, 23-3-1907, Stuttgart». Ein starker Name, aus meiner Geburtsstadt, sogar ihr Geburtstag lag nur zwei Tage von meinem entfernt, ging mir naiv durch den Kopf. Links oben war ein winziges Passbild angeheftet. Ich lockerte die angerostete Klammer. Eine dunkelhaarige Frau schaute mir tief in die Augen. Sie hatte ihr Leben für die Freiheit riskiert. Wie war es ihr wohl ergangen? Ich prägte mir ihren Mut ein, ohne ihr Schicksal weiter zu verfolgen. Zu sehr war ich auf die Verehrung männlicher Helden fixiert, über die ich irgendwann meinem Doktorvater ein trockenes Buch für hartgesottene Leser vorlegte.«

Betty Rosenfeld wird am 23. März 1907 als zweite Tochter der Familie Rosenfeld in Stuttgart in dem bürgerlichen Elternhaus geboren. Die erste Tochter Charlotte, bereits am 10. September 1905 geboren, kommt nach Betty am 26. September 1908, die dritte Schwester mit Namen Ilse. Der Vater führte als Kaufmann eine kleine Putzmittelfabrik, die Mutter ist Hausfrau. Die drei Schwestern beginnen sich für sozialistische Ideen zu interessieren. Betty besucht die Marxistische Arbeiterschule. Endlich nach ihrem 19. Geburtstag kann Betty im Stuttgarter Katharinenhospital Krankenschwester werden.

Bettys Weg zur KPD beginnt nach Anfängen in einem deutsch-jüdischen Wanderverein und dem Jugendverband der Deutschen Demokratischen Partei (DDP). Nach der Machtübernahme der Nazis im Januar 1933 sieht Betty durch ihre Mitarbeit bei der „Roten Hilfe“, die Nähe zu KPD, auch wegen der Zunahme der Judenverfolgung, ihr Leben in Deutschland bedroht. Wie ihre Schwestern Charlotte und Ilse wandert auch sie am 9. Oktober von Triest nach Palästina aus, arbeitet in einem Kibbuz. 1936 hört sie vom Ausbruch des Bürgerkriegs in Spanien, sie entscheidet sich sofort, die Internationalen Brigaden zu unterstützen. Im Februar 1937 reist sie mit einem Schiff nach Marseille. Von hier geht die Reise am 9. März 1937 mit einem Schiff weiter nach Valencia und ins Hauptquartier der Internationalen Brigaden nach Albacete. Zuerst arbeitet sie in einem Krankenhaus in Murcia, später dann in einer Klinik, die auf Typhus spezialisiert ist. Danach in der Klinik von Mataró bei Barcelona. Am 4. Juni 1938 stellt Betty den Aufnahmeantrag für den „Partido Comunista de España“, schreibt ihren politischen Werdegang auf.

Am 21. September 1938 verkündete der spanische Ministerpräsident Negrín den Abzug der Internationalen Brigaden. Noch kämpft die spanische Republik gegen die Franco Faschisten. Betty geht nach Frankreich, lernt hier den Kürschner Sally Wittelson kennen, der im Spanischen Bürgerkrieg im Thälmann-Bataillon kämpfte. Ein Jahr leben die beiden in Frankreich zusammen. Eine Ausreise nach England und in die USA scheitert immer wieder. 1939 werden die Beiden von französischen Polizisten als unerwünschte Ausländer festgenommen. Getrennt werden sie, Betty kommt nach Gurs in die Pyrenäen, Sally ins Lager Le Vernet D´Ariege. Erst drei Jahre später sehen sie sich im Sammellager Drancy nördlich von Paris wieder. Am 9. September 1942 trifft ihr Transport im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ein. Als sicher gilt, dass sie sofort nach ihrer Ankunft mit Gas ermordet wurden.

Bettys Vater war schon 1937 in Stuttgart gestorben, die Mutter und Tante wurden 1942 in KZ Treblinka ermordet, Schwester Lotte in Riga. Überlebt hat als einzige die Schwester Charlotte.

Michael Uhl belegt die Familiengeschichte der Rosenfeld und der Tochter Betty mit Fakten und Dokumente. Ein lesenswertes Buch zur jüngsten deutschen Geschichte.
khw


Michael Uhl: Betty Rosenfeld
Zwischen Davidstern und roter Fahne – Biografie

Schmetterling Verlag, Stuttgart 2022
672 Seiten – reich illustriert - 39,80 EUR