22.03.2022
VOLKER REINHARDT: VOLTAIRE – EINE BIOGRAPHIE – Die Abenteuer der Freiheit

Der Historiker Volker Reinhardt, am 21. Juni 1954 in Rendsburg geboren lehrt seit 1992 als Professor für Allgemeine und Schweizer Geschichte der Neuzeit an der Universität in Fribourg/Schweiz. Er ist ein Experte für italienische Renaissance und hat sich intensiv mit der Geschichte des Papsttums auseinandergesetzt.

Voltaire hieß eigentlich François-Marie Arouet wurde am 21. November 1694 in Paris geboren, wo er am 30. Mai 1778 auch starb. Voltaire ist einer der meistgelesenen und einflussreichsten Autoren der Aufklärung. In Frankreich nennt man das 18. Jahrhundert auch das „le siècle de Voltaire“ – das Jahrhundert Voltaires. Er schrieb in erster Linie seine Lyrik und Dramen für das französische Bildungsbürgertum. Als Erzähler und Philosoph war er für die gesamte europäische Oberschicht tätig deren Mitglieder die französische Sprache beherrschten, die seine Werke zum Teil im Original lasen. Häufig hatten seine Arbeiten in schneller Folge mehrere Auflagen und wurden in andere europäische Sprachen übersetzt. Voltaire verfügte auch über große Kenntnisse der englischen und italienischen Sprache. Er verbrachte Teile seines Lebens außerhalb von Frankreich, kannte somit die Niederlande, England, Deutschland und die Schweiz.

Mit seiner Kritik am Absolutismus und der Feudalherrschaft sowie dem »weltanschaulichen Monopol der katholischen Kirche« wurde Voltaire auch zu einem Vordenker der Aufklärung und zum Wegbereiter der Französischen Revolution.

In seiner Einleitung schreibt Volker Reinhardt: »Ein Vorwurf gegen Voltaire, speziell aus dem theorieverliebten Deutschland, lautet seit jeher: Er hat alle philosophischen Systeme zerstört, aber kein eigenes System begründet. Gerade darin aber liegt die Größe Voltaires und seine Aktualität für die Gegenwart: Er fragt nicht, welches ist der beste Staat, sondern hinterfragt Entwürfe und Träume von »besten Staaten«. Wem nützen diese Staatsformen und warum, für welche Gesellschaft und welche Kulturstufe ist sie tauglich, und wie lange wird sie voraussichtlich Bestand haben? Für Voltaire ist alles Bestehende ein Provisorium, das stets mit einer Abschaffung im Namen der Vernunft zu rechnen hat. Allein die absolute Freiheit, alles, auch das angeblich Undenkbare, zu denken und zu sagen, muss von Dauer sein.«

Diese Frage wurde Voltaire selbst im letzten Vierteljahrhundert seines langen Lebens immer wieder gestellt. Als Antwort darauf hat er sich mit ausgeklügelten literarischen Kunstgriffen von Facetten gelöst und damit allen eindimensionalen und eingängigen Deutungen entzogen. Die irritierend vielfältigen Selbstbilder zeichnete er vor allem in Tausenden von Briefen an Freunde und Feinde, die meist in breiteren Kreisen zirkulierten.
Darin stellte er sich in einer Vielzahl von Posen, Rollen und Seelenverfassungen dar: als chronisch krank, friedliebend und milde spöttisch; als kämpferisch, polemisch und unerbittlich; als verfolgt, verletzt und verloren; als souverän, distanziert beobachtend und kühl sezierend; als menschenfreundlich, Anteil nehmend und zur Mäßigung mahnend, als hochfahrend, apodiktisch und verdammend; als gelassen, verständnisvoll in eigener Sache. All diese Ego-Splitter bilden jeweils einen Aspekt und Ausschnitt einer Persönlichkeit, die sich tarnen musste, weil sie früh im Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit stand.«

Voltaire führte in seinen letzten fünfundzwanzig Lebensjahren am Kreuzungspunkt von Frankreich, der Republik Genf und der Schweizerischen Eidgenossenschaft einen eigenen Hof, der zum Ausstrahlungszentrum für das geistige Europa wurde. Noch immer zwingt der Philosoph mit seiner schonungslosen Analyse der Welt und der Menschen, Stellung zu beziehen, um selbst nach dem Sinn zu suchen.

Volker Reinhardt zeigt mit seiner Biographie die Vielfältigkeit von Voltaire auf.
khw


VOLKER REINHARDT: VOLTAIRE – EINE BIOGRAPHIE
Die Abenteuer der Freiheit

Verlag C.H. Beck, München 2022
607 Seiten – 32,00 EUR