21.02.2022
Werner Tübke »Wer bin ich?« – Briefe an einen Freund

Der Maler Werner Tübke, am 30. Juli 1929 in Schönebeck /Elbe geboren, am 27. Mai 2004 in Leipzig gestorben, war ein bedeutender Maler und Grafiker der DDR und gehörte mit Bernhard Heisig und Wolfgang Mattheuer zu den Professoren an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) in Leipzig, die die sogenannte Leipziger Schule gründeten. Über die Grenzen der DDR hinaus wurde Tübke, seit 1972 Professor, von 1973 bis 1976 Rektor der HGB durch sein Bild in Bad Frankenhausen, ein gigantisches Rundgemälde von 14 Metern Höhe und 120 Meter Umfang mit dem Titel „Die frühbürgerliche Revolution in Deutschland“. Diese Arbeit war ein Auftrag des DDR-Kulturministeriums als Erinnerung an die Deutschen Bauernkriege.

Werner Tübke lernte ich während meiner Teilnahme an der Internationalen Dokumentar- u. Kurzfilmwoche im November 1981 kennen anlässlich seiner Personalausstellung in dem ehemaligen Leipziger Reichsgericht, wo sich neben dem Georgi Dimitroff Museum auch das Kunstmuseum von Leipzig befand. Georgi Dimitroff trat als Zeuge im Schauprozess gegen die Angeklagten u.a. Marius van der Lubbe, Ernst Torgler von der KPD und den zwei bulgarischen Kommunisten Popow und Tarnew auf, den preußischen Ministerpräsidenten als Zeuge Hermann Göring immer wieder in die Rolle des Angeklagten drängte.

Für die Tageszeitung UZ führte ich mit Werner Tübke, der dabei stets seine weiße Shagpfeife aus Ton rauchte, mehrere Interviews. Mein Freund, Arno Rink, Rektor der HGB, sagte mir, ich sollte mich mit Werner Tübke auf keine Diskussion über Kunst und Kunstrichtungen einlassen, dabei würde ich stets den Kürzeren ziehen. Meine Gespräche verliefen stets freundschaftlich, dass auch wenn er stets betonte, das Revolutionsbild in Bad Frankenhausenn habe er allein gemalt, was schlicht nicht stimmt. An dem Bild malte sein Assistent wie Paul Eisel mit. Die Leinwand wie Ölfarben kamen aus der Sowjetunion. Da die Farbtuben klein waren wurde ein Gerät gebaut, mit dem die Tuben bis zum letzten Tropfen ausgepresst werden konnten.

Auch zum Bild der frühbürgerlichen Revolution führte ich mit Werner Tübke ein Interview, kein Wort zu dem Problem mit den kleinen Farbtuben, auch kein Hinweis von ihm, dass auch weitere an der Staffelei des Bildes standen. Über die wohl letzte Tagung des Verbands der bildenden Künstler der DDR 1988, Präsident war Willi Sitte, berichtete mir Arno Rink. Die Deutsche Post der DDR hatte von Tübkes Bild der frühbürgerlichen Revolution eine Briefmarkenserie hergestellt. Rink, der eine Reihe hinter Tübke saß, erzählte mir das der Künstler das Honorar ausrechnete, das ihm die Deutsche Post zahlte.

In den Novembertagen 1989 war ich ein letztes Mal in Leipzig bei Werner Tübke und seiner dritten Frau, seiner der Scheidungsanwältin Brigitte Schellenberger in der Springerstraße 5. Frau Tübke bat mich, ihren VOLVO zu kaufen. Das Fahrzeug war ein ähnliches Fahrzeug, mit dem Erich Honecker über die Straßen der DDR gefahren wurde. Ich verneinte, hatte gerade mir einen neuen VOLVO gekauft.

Nun war Werner Tübke mir auch gegen Mark der DDR seine Grafik zu verkaufen, die er mit seinem Namen und meinen Namen signierte. - Noch einmal hörte ich von Frau Tübke etwas auf meinen Beitrag über das Atelierhaus des Künstlers. Ich hatte geschrieben, dass die Kosten der Renovierung vom Haus Springerstraße 5 von der Stadt Leipzig gezahlt wurden. Das wollte Frau Tübke so nicht veröffentlicht haben. Nur wenn etwas stimmt, sollte es auch veröffentlicht werden. Heute hat Carlos Schwind in diesem Haus seine Galerie für Künstler der Leipziger Schule.
Auch wenn der FAZ-Kunstkritiker in seinem Buchbeitrag von einem „neuen phantastischen Realismus spricht“, den hat es an den Kunsthochschulen der DDR von Berlin-Weißensee, Halle Burg Giebichenstein, der HGB in Leipzig und der Kunsthochschule Dresden nicht gegeben. Somit kein Stil wie von Salvator Dalí, der der erste spanische bildende Künstler war, der nach dem Ende der II. Spanischen Republik durch den Diktator Francisco Franco diesen als erster spanischer Künstler malte. Darauf beendeten Dalís Künstlerfreude, darunter auch Pablo Picasso, ihre Freundschaft zu dem Franco-Maler Dalí. Auch der Dichter Federico García Lorca war eng mit Dalí befreundet, konnte seine Freundschaft zu Dalí nicht mehr beenden. Im August 1936 hatten Lorca bereits Francos Vasallen in der Nähe von Granada erschlagen.
Was sich an der HGB entwickelte war die Leipziger Schule die einen Realismus voraussetzte.
Der Band ist ein Stück lesenswerte Kunstgeschichte der DDR.
khw


Werner Tübke »Wer bin ich?« Briefe an einem Freund – Herausgegeben von Matthias Bormuth und Annika Michalski unter Mitarbeit von Malte Maria Unverzagt – Mit Essays von Eduard Beaucamp und Golo Mann.

Wallstein Verlag – Göttingen 2021
224 Seiten – zahlreiche Fotos – 222 Seiten – 22,00 EUR