01.10.2021
Erich Keller: DAS KONTAMINIERTE MUSEUM
Das Kunsthaus Zürich und die Sammlung Bührle

Der Autor Erich Keller, geboren 1968, ist promovierter Historiker und Journalist. Zwei Jahre war er wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsprojekts »Historische Kontextualisierung der Sammlung Bührle« an der Universität Zürich. Er wehrte sich im Jahr 2020 erfolgreich gegen beschönigende Eingriffe der Bührle-Stiftung und Stadt Zürich in die wissenschaftlichen Forschungsarbeiten. Mit seiner Familie lebt Erich Keller in der Bundeshauptstadt der Schweiz Bern.

Im Jahr 2012 wurde der Stadt ein Kredit von 88 Millionen Franken bewilligt, der als städtischer Beitrag eine Erweiterung des Kunsthaus es ermöglichte. Das war die erste Hälfte der Baukosten, die andere Hälfte wurde privat gespendet mit 30 Millionen Franken des Kanton Zürich. Nach den Plänen des britischen Architekten David Chipperfield wurde der Erweiterungsbau erstellt, wird im Oktober 2021 eröffnet. In den Sälen im 2. Stock werden die Werke der Sammlung permanent gezeigt.

Bürgerliche Kunstkritiker sagen, die Sammlung Bührle folgte den eigenen Linien in der Kunst. Der Sammler Emil Bührle hat mit Beratung stets persönlich die Werke ausgewählt. Damit unterscheidet sich seine Sammlung von einer öffentlichen Kunstsammlung. Diese ist stets breiter angelegt, wächst über einem langen Zeitraum zu einer Sammlung. Beschlossen wurde vom Kunsthaus und der Stiftung Bührle, dass die Sammlung bis 2034 als Einheit im Kunsthaus zu zeigen.

In Zürich gab es bereits Zwist um Museumspläne. So scheiterte der Sammler Friedrich Christian Flick im Jahr 2002 nach Protesten in der Stadt mit dem Zeigen seiner Kunstsammlung. Sie umfasst 2500 Werke zeitgenössischer Kunst von 150 Künstlern. Die Sammlung ist sehr umstritten, da das Geld mit dem die Kunstwerke gekauft wurden, aus dem Erbe seines Großvaters Friedrich Flick kommen. Zwangsarbeiter arbeiten in den NS-Jahren in den Rüstungsbetrieben von Friedrich Flick. Nach dem Zweiten Weltkrieg verurteilte der nach ihm benannte »Flick-Prozess« als Kriegsverbrecher zu sieben Jahren Haft. In den Nachkriegsjahren der Wiederaufstieg von Friedrich Flick. Nach seinem Tod hinterließ er seinem Sohn Otto-Ernst Flick und seinen beiden Enkeln Gert-Rudolf Flick und Friedrich Christian Flick ein großes Vermögen. Statt Zürich zeigte der „Hamburger Bahnhof“ in Berlin die Flick-Sammlung.

Erich Keller schreibt: »Die Geschichte von Emil G. Bührles Rüstungsfirma wurde im Kontext der Verflechtung der schweizerischen Rüstungsindustrie und des Kriegsmaterialhandels während des Nationalsozialismus erforscht. Die Studie von Peter Hug konnte zum ersten Mal detailliert zeigen, wie der Zweite Weltkrieg Emil G. Bührles Rüstungsfirma, die Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon (WO), zur größten Kriegsmaterialproduzentin der Schweiz und Bührle zum reichsten Schweizer gemacht hatte.«

Der Kunstsammler Emil G. Bührle, am 31. August 1890 in Pforzheim geboren, war im Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918 Kavallerieoffizier, danach im Freikorps des Generals Roeder an der Niederschlagung der Novemberrevolution in Berlin beteiligt. Ab 1919 arbeitet er in der Magdeburger Maschinenfabrik und wird Prokurist. Die Maschinenfabrik kaufte 1923 die Maschinenfabrik Oerlikon in der Schweiz, ein Jahr später ist Bührle ihr Geschäftsführer, bekommt 1937 die Schweizer Staatsbürgerschaft. Der Hauptkunde von Oerlikon ist im Zweiten Weltkrieg das Deutsche Reich. Dadurch ist Emil G. Bührle in seiner Rolle als Industrieller umstritten.

Mit seinem Buch zeigt Erich Keller auf, was passiert, wenn Erinnerungskultur und Forschungsfreiheit unter eine neoliberale Standortpolitik gerät.
Empfehlenswert.
khw


Erich Keller: DAS KONTAMINIERTE MUSEUM
Das Kunsthaus Zürich und die Sammlung Bührle

Rotpunktverlag, Zürich 2021
191 Seiten - 22,00 EUR