10.09.2021
Lorenz Jäger: HEIDEGGER – EIN DEUTSCHES LEBEN

Der Autor Lorenz Jäger, am 6. Juni 1951 in Bad Homburg geboren, ist ein Soziologe, Germanist und Journalist, rechnete sich bis 2011 Martin Heidecger der Neuen Rechten zu, von der er sich am 5.Oktober 2011 mit seinem Beitrag in der FAZ »Adieu, Kameraden, ich bin ein Gutmensch« von der Neuen Rechten distanzierte.

Jäger studierte Soziologie und Germanistik an der Philipps-Universität in Marburg und an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt/Main. Über seine Studienzeit in Marburg schreibt er, hier herrschte ein heute kaum noch vorstellbares „Klima des dogmatischen Marxismus“. Nur vier Professoren bildeten die „Inseln der Seligen“: der Soziologe Heinz Maus, der Germanist Heinz Schlaffer, der Kunsthistoriker Martin Warnke und der Literaturwissenschaftler Gert Mattenklott, bei denen Jäger studierte. Seine Prüfung zum Diplomsoziologen legte er beim Korkheimer-Schüler Maus 1978 ab. 1985 wurde er mit der Dissertation „Messianische Kritik zu Leben und Werk“ von Florens Christian Rang zum Dr. phil. promoviert. Im Anschluss geht Lorenz an der Kent State University in Ohio/ USA und ist später dann an der Hokkaido University in Sapporo/Japan tätig.

Bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wird Jäger dann 1997 Redakteur 1997 im Ressort Geisteswissenschaften. Zum 1. April 2015 übernimmt er die Leitung des Resorts, geht Ende 2016 in den Ruhestand. Von Lorenz Jäger erschienen 2003 das Buch »Adorno. Eine politische Biographie«, 2017 »Walter Benjamin. Das Leben eines Unvollendeten«.

Nun hat Lorenz Jäger eine umfangreiche Biographie zu Martin Heidegger vorgelegt. Der Philosoph wurde am 26. September 1889 in Meßkirch geboren, starb am 26. Mai 1976 in Freiburg/Breisgau. Heidegger steht in der Tradition der Lebensphilosophie insbesondere von Wilhelm Diltheys und der Existenzdeutung von Søren Kierkegaards. Martin Heideggers wichtiges Ziel war die Kritik der abendländischen Philosophie und die denkerische Grundlegung für ein neues Weltverständnis. Sein Hauptwerk »Sein und Zeit« entstand 1926, das die philosophische Richtung der Fundamentalontologie begründete und ein Jahr später publiziert wird.

Im Prolog des Heidegger Bandes schreibt Lorenz Jäger: »Er will immer die Zeit sagen. Das ist seine Aufgabe, sein Amt seit der Kindheit. Die Glocken müssen geläutet werden: »In der Frühe des Weihnachtsmorgens gegen halb vier Uhr kamen die Läuterbuben ins Mesmerhaus«. Die Welt und die Zeit sind katholisch geordnet. Dann, eines Tages, die Ausrichtung auf den Segen des Kirchenläutens ist nur noch Erinnerung, will er die Zeit neu sagen: »Von der Größe des geschichtlichen Augenblicks, durch den jetzt das deutsche Volk hindurchgeht, weiß die akademische Jugend.«

Es bestand ein positives Verhältnis vom Philosophen Martin Heidegger zum Nationalsozialismus, das ist seit Beginn der 1930er Jahre nachweisbar. Es wurde bereits Mitte 1933 zum Gegenstand der internationalen Kritik. Bei allen Bekenntnissen zum Nationalismus war sein Verhalten ambivalent. Am 21. April 1933 wurde er von seinen Kollegen zum Rektor der Universität Freiburg gewählt. Am 1. Mai 1933 trat er der NSDAP bei - was die Partei öffentlich feierte – und blieb Parteigenosse bis zur bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai 1945.

Auch war er 1934 Gründungsmitglied des von Hans Frank geleiteten »Ausschusses für Rechtsphilosophie« der nationalsozialistischen Akademie für Deutsches Recht. Während des Zweiten Weltkriegs war Frank Generalgouverneur des nicht annektierten Restes des ehemaligen polnischen Staates, von seinen Opfern wurde er der »Schlächter von Polen« genannt, gehörte zu den 24 Angeklagten im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher im Internationalen Kriegsverbrecherprozess. Am 1. Oktober 1946 in zwei von drei Anklagepunkten schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt, wurde in der Nacht vom 15. Auf dem 16. Oktober 1946 durch den Strang hingerichtet.

Heidegger bemühte sich in einigen Fällen, als Rektor bedrängten jüdischen Hochschulangehöriger ihr Schicksal zu lindern, auch denunzierte er einen jüdischen und einen nichtjüdischen Kollegen. Nach 1945 wurde bis zu seiner Emeritierung ein Lehrverbot über Heidegger verhängt.

Warum Martin Heidegger noch immer aufs Neue fasziniert und polarisiert, darauf gibt Lorenz Jäger in seiner Biographie eine Antwort.
khw


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606 Seiten - zahlreiche Fotos - 28,00 EUR