11.12.2023
Wie gehts es weiter? - Nachdem Benkos Immobilien-Firmen insolvent sind




Nach einigem Hin und Her musste die Signa-Holding beim Handelsgericht Wien in der Marxengasse 1 A im 3. Stadtbezirk, den Insolvenzantrag stellten. Ganz überraschend kam dieser Schritt nicht. Benko hatte seine Immobilien-Firmen in einem verschachtelten Firmenkonstrukt von mehr als 1.000 Einzelgesellschaften geordnet. Gemeinsam gründete Benko mit dem Kfz-Händler Karl Novarik, der die Starthilfe von 26 Millionen Euro gab, die Firma Immofina Holding. Im Jahr 2004 erwarb die Immofina das Kaufhaus Tirol, das im Jahr 2010 neu erbaut wurde, der Architekt war David Chipperfield. Im Kaufhaus Tirol befindet sich das Innsbrucker Büro der Signa Holding. Ab Oktober 2004 warb Benko um Anleger für den ersten geschlossenen Immobilienfond „Signa:01 Property Fund“. Auch plante er die Gründung einer Bank für Immobilieninvestments, daraus wurde nichts.

Am 29. November 2023 haben einige Tochterfirmen der Signa-Gruppe, so die Real Estate Management Germany gemeinsam mit der Signa Sport United GmbH und ihre Tochterunternehmen mit den Onlineshops die Insolvenz angemeldet. Einen Tag darauf folgte die Insolvenz von Sportscheck mit seinen 34 Filialen beim Amtsgericht München. Eine angekündigte Übernahme durch den britischen Modehändler Frasers Group wird erst einmal nicht vollzogen.

Trotz intensiver Bemühungen gelingt es Benko nicht, neue Kreditgeber und Investoren zu finden. So ruhen die Bauarbeiten auch beim wichtigsten Prestigeobjekt der Sigma-Tochter Prime, dem Elbtower in der Hansestadt Hamburg. Ausgesucht hat die Immobilienfirma René Benko, der damalige 1. Bürgermeister, heute Bundeskanzler der Ampelregierung aus SPD, Bündnis Grün und FDP, Olaf Scholz. Ins Mikrofon der TV-Sendung „Hamburg Journal“ sagte er am 8. März 2017: «Ich möchte, dass die Hamburger sagen, wenn es fertig ist, das hat Olaf Scholz gut gemacht.»

Auf seinen Prestigebau von Signa hatte sich Hamburg auf die Angaben der Landesbank von Hessen-Thüringen Helaba verlassen. Es ist nicht bekannt, dass ein bundesdeutsches Kreditinstitut tiefer im Signa-Sumpf steckt als die Helaba. Einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag haben die nordrhein-westfälischen, hessischen, thüringischen und brandenburgischen Sparkassen an die Gruppe des Tiroler Immobilienhändlers René Benko ausgereicht. Immer deutlicher wird jetzt, dass die Helaba eine zentrale Rolle im Zusammenhang mit dem Elbtower gespielt hat. Auflage Hamburgs für den Verkauf des spektakulären Grundstücks am Rand der Hafencity für das Hochhaus war, dass es für einen Teil der Fläche bereits sichere Mieter gibt. Es war wohl die Helaba, die als sogenannter „tauglicher Finanzierer“ die von Hamburg geforderte Vorvermietungsquote bestätigte. Erst danach verkaufte die Hansestadt Hamburg das Grundstück an Signa.

Noch im Sommer 2022 hat Helaba geplant, ihr Kreditengagement gegenüber der Signa-Gruppe um 150 Millionen Euro zu erhöhen. Helaba wollte als sogenannter Lead Arranger für das Elbtower Projekt ein Bankenkonsortium zusammenstellen, das 750 Millionen Euro an Krediten aufbringen sollte. Als Eigenkapital stellte die Signa-Gruppe 150 Millionen Euro, weitere 50 Millionen Euro stellte die Fondsgesellschaft der Commerzbank, die Commerz Real, für die Projektgesellschaft Elbtower – Immobilien GmbH & Co KG – zur Verfügung. In einer Stellungnahme des Senats an die Bürgerschaft in einer Drucksache steht: „dass alle weiteren Planungs- und Baukosten durchfinanziert sind“. Als Kreditarrangeur hatte die Helaba keinen Erfolg und musste im ersten Quartal 2023 einräumen, dass sie das Bankenkonsortium mit dem avisierten Finanzierungsvolumen von 750 Millionen Euro nicht zustande bringt. Die Helaba kommt wohl unbeschadet aus dieser Sache heraus, weil noch kein Kreditvertrag vorlag. Auch Signa hängte die fehlende Bankenfinanzierung – aus nachvollziehbaren Gründen – nicht an die große Glocke. Sollten die Kreditverträge in der Tat wie gefordert nicht geschlossen gewesen sein, wäre der Grundstückkauf unter falschen Vorzeichen geschlossen worden. Deswegen rumort es in der Hamburger Politik gewaltig. Als Ankermieter wurde die Hamburger Commercial-Bank (HCOB) präsentiert, besser bekannt als HSH Nordbank – und diese war bereits Benko-Kunde.

Wie alles verquickt ist, zeigt die Hamburg Commercial Bank mit ihrem Firmensitz am Gerhart-Hauptmann-Platz, der an Signa zu einem sehr hohen Preis von 220 Millionen Euro verkauft wurde. Durch den Verkauf konnte die Hamburg Commercial Bank eine Spitzenmiete für 13.000 Quadratmeter Bürofläche im Elbtower zusagen. Frage ist, ob dieser Klüngel oder die Sonderabfrage der Europäischen Bankenaufsicht der EZB bei allen Signa-Gläubigerbanken Anfang 2023, das die Helaba misstrauisch war, wofür es noch mehr Hinweise gibt.

Bei dem Elbtower geht es ab jetzt nicht mehr ohne Geld weiter. In den 245 Meter hohen Bau, das dritthöchste Gebäude der Bundesrepublik, schätzt man, dass bisher 400 Millionen Euro verbaut sind wegen der aufwendigen Gründung des Hauses in dem sandigen Baugrund. Wegen einer Forderung von 37 Millionen Euro wurde vom hessischen Rohbauunternehmen Lupp der Weiterbau erst einmal gestoppt. Der noch nicht vollendete Bau hat bereits einen Spitznamen „Kurzer Olaf“.

Der Verkauf von 49,9 Prozent der Signa-Anteile an dem Berliner Kaufhaus KaDeWe an die thailändische Central Group im März 2023 war ein erstes Alarmsignal, verkauft wurden rund 50 Prozent unter dem Buchwert. Auf der Internetseite der Central Group in Bangkok wird neben dem KaDeWe auch das Alsterhaus in Hamburg präsentiert. Die Schulden belaufen sich bei den Benko Firmen nach Angaben von österreichischen Gläubigerschutzverbänden auf rund fünf Milliarden Euro. Davon sind 42 Firmen und 273 Gläubiger betroffen. Dabei sind die wichtigsten Immobilientöchter Signa Prime Selection AG, Signa Development AG und die Handelssparte Signa Retail von dem Insolvenzantrag der Holding gar nicht erfasst. Der Schuldenberg beträgt ein Mehrfaches an Schulden der Holding. Nach Informationen der österreichischen Tageszeitung «DER STANDARD», gehören zu den Gläubigern der Gebühren-Inkasso-Service des ORF, die Helicopter Air Transport, der österreichische Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) und seine Firma Gusenbauer Projektentwicklung und Beteiligung. Auf der Liste steht auch der Ex-Kanzler Sebastian Kurz von Österreich, den eine lange Freundschaft mit Benko verbindet. Die von Kurz geführte ÖVP / FPÖ – auch schwarz/blaue Regierung genannt – verhalf dem Freund bei der Übernahme des traditionsreichen Leiner-Hauses in Wien. Eine erste Gläubiger-Versammlung soll am 19. Dezember in Wien stattfinden.

Bekannt wurde, dass zu den Benko-Gläubigern auch die Schweizer Bank Julius Bär in Zürich gehört. Diese Privatbank verwaltet für Kunden in der Welt ein Vermögen von 435 Milliarden Franken. Ende November veröffentlichte Julius Bär, dass sie 606 Millionen Franken an „verschiedene Einheiten eines europäischen Konglomerats“ vergeben hat. Dabei handelt es sich dem sicheren Vernehmen nach um drei Kredite an die Signa-Gruppe. Das, so betont die Privatbank, sei durch „mehrere Sicherheiten in Verbindung mit Gewerbeimmobilien und Luxuseinheiten“ gesichert. Das ist für die Aktionäre der Julius Bär Bank mehr als eine böse Überraschung, der Kurs der Aktie fiel um ein Fünftel seines Wertes.

Die Signa-Holding schuldet ihren Gläubigern 5,3 Milliarden Euro. Allein in diesem Jahr hat sich die Verschuldung offenbar um noch mehr verschuldet. Im Gegenzug sind die Vermögenswerte – die Beteiligungen an den verschiedenen Immobilien und Handelsfirmen der Signa-Gruppe dramatisch geschrumpft, haben nur noch einen Buchwert von 2,8 Milliarden Euro. Bei dieser starken Überschuldung ist es mehr als fraglich, ob der Plan der Signa-Holding, sich in Eigenverwaltung zu sanieren, überhaupt aufgehen kann.

Der Insolvenzverwalter Christoph Statz steht vor einer Herkulesaufgabe. Die Finanzstruktur des Konzerns mit seinen zahlreichen Insichgeschäften ist sehr verschachtelt. Damit eine Sanierung in Eigenverantwortung beginnen kann, muss alles aussortiert werden, was nicht benötigt wird. Bekannt wurden auch die Auswüchse der Reisekosten bei Signa. Für die 40 Angestellten wurden 2022 etwa 4,9 Millionen Euro allein für Reisekosten ausgegeben, dazu 2,2 Millionen für Privatflugzeuge und 430 000 Euro für Hubschrauberflüge. Für das Privileg, zu jagen waren es 409 000 Euro. Für die nächsten Monate hat die Signa Holding in die bei Gericht eingereichte Insolvenzanmeldung festgeschrieben, dass die Reisekosten sofort auf monatlichen 23.000 Euro gedeckelt werden.

Inzwischen sind bei Signa alle laufenden Bauarbeiten – nicht nur hierzulande – eingestellt. Es hat kein Jahr gedauert, bis aus dem österreichischen «Wunderwuzzi» ein gescheiterter Immobilienunternehmer ist. Was aus den Kaufhäusern Karstadt/Kaufhof und den Mitarbeitern wird, das interessiert Benko auch nicht. Wenn auch diese Kaufhäuser schließen wie bereits die Galeriea, dann werden die Innenstädte hierzulande veröden. Berlin selber ist klamm und in Not, kann und wird nicht helfen.
khw


13.12.2023 Nachtrag

Im wankenden und angeschlagenen Imperium von René Benko erfolgte am 11. Dezember der nächste Paukenschlag: Timo Herzberg, verantwortlich für das Immobiliengeschäft der Signa-Gruppe wurde vom Aufsichtsrat fristlos entlassen. Das ist das zweite Beben in der Immobiliengruppe. Am Montagabend hat der Aufsichtsrat der zwei Gesellschaften Signa Prime Selction AG und Signa Prime Development AG in zwei außerordentlichen Sitzungen den Vorstandsvorsitzenden Timo Herzberg entlassen. In den Gesellschaften sind die wichtigsten Immobilienbeteiligungen von Signa, auch der Elbtower.

Grund für die Entlassung: «Ein dringender Verdacht auf grobe Verletzung seiner Pflichten» so die Signa-Mitteilung. «Leider mussten wir diese Entscheidung treffen und diesen harten Schnitt setzen.» erklärte der ehemalige österreichische Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ). «Die Verdachtslage war eindeutig und ließ den Aufsichtsräten keine Wahl.»

Die Gründe sind, dass Herzberg neben seiner Funktion 60 Prozent an einer Gesellschaft mit Namen Havit einen Anbieter von SPA- und Fitnessstudios-Dienstleistungen hält. Havit hat Flächen in den Signa-Gebäuden offenbar zu marktunüblichen, günstigen Mieten angemietet. Außerdem soll er befreundeten Unternehmen Aufträge zugeschanzt haben. Noch vor wenigen Monaten schwärmte Herzberg im „Businessnetzwerk LinkedIn“ von Havit im Bürokomplex Beam in Berlin-Mitte, einem Signa-Projekt. Die Prime und Development, aus der Herzberg entlassen wurde, sind im Gegensatz zur Konzernmutter Signa Holding noch nicht insolvent. Was die Prime betrifft, könnte es bald bevorstehen. Eine Pleite von Prime und Development könnten sich noch stärker auswirken als jene bei der Holding, die bereits mit fünf Milliarden Euro Verbindlichkeiten bereits die größte Insolvenz der österreichischen Wirtschaftsgeschichte darstellt. Die Schulden, so Insider, sind bei Prime und Development nochmals rund doppelt so hoch.
khw