01.05.2023
Hamburger Korrespondenz im Mai 2023


Vor 40 Jahren, am 28. April 1983, begann das Magazin Stern mit der Veröffentlichung der Hitler-Tagebücher. Der Auftakt der Veröffentlichung begann mit einer Pressekonferenz drei Tage davor am Sitz der Redaktion in der Warburgstraße in Hamburg, unweit der Außenalster. Das Verlagsgebäude nannten die hier tätigen Journalisten „Affenfelsen“. Hier versammelten sich am 25. April 1983 27 Fernsehstationen und 200 Journalisten, die über das Ereignis berichten wollten. Zu tumultartigen Stimmung kam es, als der Stern-Reporter Gerd Heidemann sich, mit den Tagebüchern in den Händen, dem Blitzlichtgewitter der Fotografen präsentierte.

Mit der Erstveröffentlichung der Hitler-Tagebücher steigerte der Stern die Auflage von 400 000 auf 2,2 Millionen Exemplare. Auch der Verkaufspreis erhöhte sich um 50 Pfennige auf 3,50 DM. Im Editorial des Magazins schrieb der damalige Chefredakteur Peter Koch euphorisch, ohne die Echtheitsüberprüfung durch das Bundeskriminalamt in Wiesbaden abzuwarten: „Die Geschichte des Dritten Reiches muss teilweise umgeschrieben werden.“

Einige Tage später, am 6. Mai 1983, gab das Bundeskriminalamt in Wiesbaden sein Untersuchungsergebnis bekannt. Bei den Hitler-Tagebüchern handelt es sich zweifelsfrei um eine Fälschung. Die 62 Bände, nun amtlich als gefälscht bezeichnet, hatte der Stern für 9,3 Millionen DM erworben.

Die Geschichte der Hitler-Tagebücher beginnt im November 1975. In diesem Jahr schreib Konrad Kujau den ersten Band der Tagebücher über die Monate Januar bis Juni 1935. Kujau gibt sein Werk dem Militaria-Sammler Fritz Stiefel. Der lernt im Januar 1980 den Stern-Reporter Gerd Heidemann kennen, der dem Militaria-Sammler einige Dinge aus dem Besitz von Hermann Göring verkauft. Bei diesem Treffen zeigte Stiefel Heidemann das Hitler-Tagebuch. Spontan bietet Heidemann dafür eine Million DM. In Hamburg überzeugt er Thomas Walde vom Resort Zeitgeschichte beim Stern, dass die Tagebücher für das Magazin zu beschafft werden müssen. Heidemann hatte auch den Hinweis bekommen, dass ein verschollenes Flugzeug bei den Tagebüchern eine wichtige Rolle spielen. Die JU 352 soll im April 1945 aus dem Kessel von Berlin ausgeflogen sein, verunglückte aber im Bayerischen Wald. Tatsächlich war die Absturzstelle aber Börnersdorf, dieser Ort lag ab 1949 in DDR. Hier fand Heidemann noch Gräber der verunglückten Flieger. Nach Börnersdorf kam es zum Kontakt zwischen Heidemann und Kujau. Der vertraute ihm an, dass die Tagebücher über seinen Bruder, einem Generalmajor der Nationalen Volksarmee, in den Westen kommen. Nur Kujaus Bruder war nicht Soldat, der arbeitet als Gepäckträger bei der Reichsbahn der DDR.

Am 27. Februar 1981 kam es von Heidemann und Walde mit den Vorstandsvorsitzenden vom Verlag Gruner und Jahr Manfred Fischer und Jan Hensmann, zuständig für den Zeitschriftenbereich, zum Treffen. Fischer entschied, die Tagebücher für 2 Millionen zu erwerben. Die Chefredaktion des Sterns sollte nicht informiert werden, das Projekt unter den Namen „Grünes Gewölbe“ geheim laufen. Im März 1981 weihte Fischer den Vorstandsvorsitzenden von Bertelsmann, Reinhard Mohn, in einem Vieraugengespräch in Gütersloh in das Geheimprojekt „Grünes Gewölbe“ ein. So lief alles geheim auf die Veröffentlichung der Hitler-Tagebücher im Stern am 28. April 1983 zu.

Ein Prozess zwei Jahre später brachte Klarheit in die Tagebuchveröffentlichung. In dem Prozess wurde am 8. Juli 1985 Konrad Kujau, der ein Geständnis ablegte, die 62 Bände selbst geschrieben zu haben, wegen Betruges und in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.


Heidemann bei der Bücher-Vorstellung im Blitzlichtgewitter

Ein erhebliches Mitverschulden von Verlag und Redaktion sah das Hamburger Landgericht und wertete es als strafmildernd für Kujau. Anders bei Gerd Heidemann, der hatte von dem Betrag, die der Stern zur Verfügung stellte, Geld in Millionenhöhe an Kujau nicht weitergeleitet, sondern unterschlagen. Der Mann wurde zu vier Jahren und acht Monaten Haft verurteilt, lebte zeitweilig von der Sozialhilfe.

Vom Prozess gab es keine Klärung, warum setzte ein Verlag Millionen ein, um die Geschichte und Hitler zu verändern?

Helmut Dietl drehte über die gefälschten Hitler Tagebücher 1992 die noch immer sehenswerte satirische Filmkomödie „SCHTONK“ mit Veronica Ferres, Uwe Ochsenknecht und Götz George.
khw