01.11.2022
Hamburger Korrespondenz im November 2022


Zwischen Elbmündung und Hamburger Hafen wurde die Fahrrinne auf über 100 Kilometer vertieft. Auch bekam die Fahrrinne eine größere Breite und eine neue Mindesttiefe. Die Freigabe der Wasserstraße erfolgte am 24. Januar 2022.
Die Elbe hat nun eine Fahrrinne von 15,9 bis 17,1 Meter unter Seekartennull. Das soll Schiffe mit einem Tiefgang von 13,5 Metern tidenunabhängig und bis 14,5 Metern tideabhängig die Zufahrt zum Hamburger Hafen ermöglichen. So kann auch das größte Containerschiff, die EVER ACE der taiwanischen Reederei Evergreen Marine, mit einer Länge von fast 400 Metern und der Breite von 61,50 Metern, mit ihrem maximalen Tiefgang von 14,50 Metern den Hamburger Hafen anlaufen. Das Containerschiff im Liniendienst Asien – Europa lag zweimal am Burchardkai im Hamburger Hafen.

Die erste Vertiefung der Elbe wurde in den Jahren 1818 bis 1825 durchgeführt. Bis 1999 kam es zu insgesamt 7 weiteren Elbvertiefungen. Seitdem konnten Containerschiffe und Massengutfrachter tidenunabhängig mit einem Tiefgang von 12,80 und einer Breite von 32,3 Meter die Elbe fahren. Da die Containerschiffe in den Jahren immer größer wurden, mussten die Fahrrinne den neuen Schiffsgrößen angepasst werden. So kam es zur jüngsten Elbvertiefung. Seit der Planung im Jahr 2002 haben sich die Kosten bis zur Fertigstellung verdreifacht, geschätzt beläuft die wohl vorerst letzten Elbvertiefung auf rund 800 Millionen Euro.

War die Elbvertiefung ein Fehlschlag? Derzeit kommen die Baggerschiffe kaum hinterher, um die immer neuen Sedimente auszubaggern, damit die Fahrrinne für die Containerschiffe wie die EVER ACE tief genug bleibt. Unabhängig von Ebbe und Flut sollten Containerschiffe und Massengutfrachter den Hafen bis 13,50 Meter anlaufen können. Ursache ist nicht nur die höhere Fließgeschwindigkeit bei Flut, dass sich offenbar in der Fahrrinne deutlich mehr Sedimente absetzen als erwartet wurde. An zahlreichen Stellen wurde die Elbe nicht nur vertieft, sondern auch verbreitert. Die unter Wasser liegenden Böschungen sind nicht stabil und brechen ab. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung der Bundesrepublik musste seit der Freigabe der Wasserstraße mehr als 200 Mal neue Regeln für die Container- und Massengutfrachter erlassen, in denen es um den Tiefgang geht. Damit die Elbe von der Mündung bis zum Hafen schiffbar bleibt, sind drei Baggerschiffe ständig im Einsatz. Davor hatte der NABU schon vor zehn Jahren gewarnt, dass es zu diesem Problem kommen könnte. Betroffen von der Elbvertiefung sind auch links und rechts der Elbe die kleinen Häfen, die von der Verschlickung durch Sedimente betroffen sind.

Das nächste Problem, das auf Hamburg zukommt, ist das in Planung befindliche Hochhausprojekt Elbtower im Osten der HafenCity. Mit einer Höhe von 245 Metern wäre das und rund 950 Millionen Euro teure Bauwerk mit großem Abstand das höchste konventionelle Gebäude der Hansestadt Hamburg. Das Gebäude soll an einem markanten Standort am Nordufer der Norderelbe den Zugang zur Stadt markieren. Der Standort befindet sich zwischen Freihafenbrücke und Eisenbahnbrücken im Westen, der Billhorner Brücke und die Neue Elbbrücke im Osten. Der Hochhauskomplex soll durch die Sigma Prime Selection AG, ein Unternehmen der Sigma-Holding des österreichischen Investors René Benko, gebaut werden. Ein Abschiedsgeschenk von Hamburgs ehemaligem ersten Bürgermeister Olaf Scholz aus dem Jahr 2018, ist der Elbtower, bevor er die Stadt verließ, um in der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD in Berlin der neue Finanzminister der Republik zu werden.

Bereits 2018 gab es um den dritthöchsten Wolkenkratzer der Bundesrepublik im Hamburger Bürgerschaft nicht bei allen Parteien Zuspruch zum Tower. Es war die Partei »Die Linke«, die Akteneinsicht verlangte, um diese Fragen zu klären: Wieso wurde das Grundstück unter Wert angeboten? Weshalb liegt das Nutzungskonzept mit besonderer Attraktion für das Publikum und als touristischer Magnet bisher nicht vor? Weshalb hat der Senat den von Rot/Grün geforderten Nachweis einer dreißigprozentigen Vorvermietungsquote einfach durch einen Banknachweis ersetzt!

Nun droht dem Hochhaus von anderer Seite ein „aus“. Wie erst jetzt bekannt wurde, hatte die Deutsche Bahn AG bereits am 12. Mai 2021 im Baugenehmigungsverfahren zum Elbtower ihre Gesamtstellungsname gegenüber der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen abgegeben. In dem Papier werden erhebliche Bedenken gegen den Bau des Turms direkt an der Elbe geltend gemacht. Es geht dabei um die Gefahr von sogenannten Mitnahmesetzungen – von denen teilweise erst nach Jahren des Rohbaus des Elbtowers – erhebliche Auswirkungen auf die Bahnlagen des bereits gebauten »S-Bahnhof Elbbrücken« wie bei der Eisenbahnbrücke über die Norderelbe. Beim Eintreten der Mitnahmesetzungen würde die Nutzbarkeit des S-Bahnhofs einschränken, was einen sicheren S-Bahnbetrieb unmöglich macht, sofern kein realisierbares Konzept zur Herstellung der Verkehrssicherheit durch Kompensationsmaßnahmen vorliegt. Das könnte zum Entzug der Betriebserlaubnis durch das Eisenbahn-Bundesamt zur Folge haben. Die Bedenken der Deutschen Bahn AG wurden nicht ausgeräumt, die Stadtentwicklungsbehörde legte am 21. September 2021 Widerspruch ein. Davon erfuhr die Bürgerschaft erst am 31. August 2022. Noch immer sehen der Senat wie die Hamburger Verwaltung in der Kritik der DB AG an dem Elbtower, dem Entwurf des englischen Architekten David Chipperfield, keinen Grund zum Umdenken.
khw

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