01.10.2022
Hamburger Korrespondenz im Oktober 2022


Mit ihrer Äußerung am 8. September 2022 im Bundestag, die Bundesregierung führt einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen Russland, macht Sahra Wagenknecht auch die Ampelregierung für die hohen Energiepreise verantwortlich. Sie sorgte sie im Bundestag in der Haushaltsdebatte einmal wieder für Empörung bei allen im Bundestag vertretenen Parteien, einschließlich ihrer Partei Die Linke. Die Sanktionen gegen Russland seien für sie für die hohen Energiepreise verantwortlich. An die Ampelregierung gerichtet sagte sie: „Das größte Problem ist ihre grandiose Idee, einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun zu brechen.“ Ergänzend sagte sie dazu: „Die Vorstellung, Putin damit zu bestrafen, indem man Millionen Familien in die Armut stürzt, unsere Industrie zerstört, während Gazprom Rekordgewinne macht – wie bescheuert ist das?“

Bereits Anfang August 2022 hatte Sahra Wagenknecht den Unmut ihrer Genossen auf sich gezogen. Im August kritisierte sie die Grünen für ihre veränderte Haltung in der Energiepolitik im Zuge des Ukraine-Kriegs. Damals schrieb sie: „Wiederinbetriebnahme der Kohlekraftwerke zeigt: Klimawandel war für die Grünen gestern wichtig. Heute hat wahnsinniger Krieg gegen Russland für die frühere Ökopartei Top-Priorität.“ Bereits damals distanzierte sich die Parteivorsitzende der Partei „Die Linke“, Janine Wissler, von dieser Wagenknecht-Äußerung. Sie wurde Ende Juni 2022 neu zusammen mit Martin Schirdewan zum Parteivorsitzen gewählt. Dabei hat Janine Wissler ein linkes Profil für Frieden und soziale Gerechtigkeit.

Nach der Sahra Wagenknecht-Rede begann ein Kesseltreiben in der Partei Die Linke gegen sie. Der rechte Flügel der Linkspartei verteidigte die Sanktionspolitik der Ampelregierung, kann keinen Wirtschaftskrieg erkennen. Dass in der Diskussion Wagenknecht den Krieg in der Ukraine ausdrücklich „ein Verbrechen“ nannte, half ihr dabei wenig. Die wütenden Reaktionen kamen im Plenum von den Parteien der Ampelregierung und dann den Mitgliedern ihrer Fraktion. Der stellvertretende Parteivorsitzende Lorenz Gösta Beutin schrieb: „Wagenknecht spreche nicht für Die Linke.“ Auch der ehemalige Parteichef Bernd Riexinger fand, dass es keinen Wirtschaftskrieg gegen Russland gibt. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke Niema Movassat schlug harte Töne an, geforderte den Ausschluss von Wagenknecht aus der Fraktion. Auch der Ausschluss aus der Partei wurde laut.

Das zeigt, dass die Partei Die Linke zwischen den Hauptströmungen – rechts und links – auf eine Entscheidung zusteuert. Hatte der rechte Block beim Parteitag vom 24. Bis 26. Juni in Erfurt eindeutig die Mehrheit – unter den sehr zahlreichen Funktionären, Abgeordnete und ihre Mitarbeiter waren – so sprechen jetzt auch Mitglieder und Sympathisanten, die die Sache anders sehen. In vielen Basisorganisationen der Partei ist die Stimmung eine andere als in dem gewählten Vorstand.

Bis heute ist die Diskussion um Sahra Wagenknecht nicht beendet. Aber was ist heute „links“ in der Partei Die Linke? Eine Partei ohne Diskussion zu aktuellen Fragen? Wurde eine Diskussion auf dem Friedhof beerdigt?
Dass Sanktionen keinen Sinn haben, das zeigt die PCK-Raffinerie in Schwedt. In drei Monaten will die Bundesregierung freiwillig auf russisches Öl verzichten. Das ehemalige Petrochemische Kombinat Schwedt gehört heute der Rosneft Deutschland GmbH zu 54,17 %, der Shell Deutschland GmbH. 27,5 % und der Eni Deutschland GmbH zu 8,3 %. Zur Sicherung der Produktion wurde die Raffinerie am 16. September 2022 unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur gestellt. Nun soll eine Pipeline vom Hafen Rostock nach Schwedt gebaut werden, noch bevor das Ölembargo der EU in Kraft tritt.
khw

Wandbild am Hamburger Gewerkschaftshaus


In Gedenken: Bild war diesmal nicht als erste dabei