30.11.2021
Hamburger Korrespondenz im Dezember 2021


Am 24. November 2021 um 15 Uhr 11 tritt Olaf Scholz ans Mikrofon in einer denkmalgeschützten ehemaligen Lagerhalle am Berliner Westhafen und spricht zuerst nicht über das, wozu der SPD-Kanzler mit den Vorsitzenden seiner Partei, den Grünen sowie der FDP hierhergekommen sind. Der zukünftige Bundeskanzler der BRD spricht erst einmal darüber, wie die neue Regierung auf die Corona-Pandemie reagieren wird. Scholz sagt was alle bereits wissen „Die Lage ist ernst“. Der noch Finanzminister der Koalition aus CDU/CSU und SPD spricht darüber, was alles getan werden soll, um der dramatischen Lage in der BRD Herr zu werden.

Der kommende Bundeskanzler Olaf Scholz beginnt die Vorstellung des 177 Seiten umfassenden Koalitionsvertrages von SPD, Grünen und FDP mit dem Spruch „Wir wollen mehr Fortschritt wagen“. Das erinnert mich an Willy Brandts Regierungserklärung als Kanzler am 28. Oktober 1969 in Bonn. An diesem Tag sagte Brandt »Wir wollen mehr Demokratie wagen«. Nur statt mehr Demokratie kamen über das Land die Berufsverbote, die Verfolgung von Andersdenkenden.

Über das Koalitionspapier werden in den kommenden zehn Tagen die Parteitage von SPD und FDP abstimmen. Die Grünen werden eine Mitgliederbefragung durchführen, davor im Parteirat eine Abstimmung, wer von ihnen Minister werden soll. Sind diese Hürden von Parteitagen und Abstimmung genommen, kann im Bundestag die Wahl von Olaf Scholz zum Kanzler erfolgen.

Noch bevor der Koalitionsvertrag online veröffentlicht wurde, berichteten die Medien im Lande die Namen der Ministerriege. Der FDP-Vorsitzenden Christian Linder erhält mit dem Finanzministerium für die FDP eine herausgehobene Machtstellung. Darüber spöttelte bereits am 21. November Herbert Prantl, Kolumnist der Süddeutschen Zeitung in der Zeitung mit »Aus der FDP als Nummer drei der Koalition« mit einem Wahlergebnis von 11,5 Prozent wird »die Nummer zwei plus«, aus den Grünen mit 14,8 Prozent »die Nummer drei minus«.
Die FDP konnte sich bei der Zuteilung der Ministerien ihre Wünsche erfüllen. Für sich reklamierte der Parteivorsitzende Christian Lindner das Finanzministerium und erhält es auch. Justizminister wird der FDP-Geschäftsführer Marco Buschmann, das Bildungs- und Forschungsministerium übernimmt, so geplant, die hessische FDP-Vorsitzende Bettina Stark-Watzinger. Die Frau wurde von Linder vor einem Jahr in die politische Führungsrolle der Partei einbezogen. Der FDP-Generalsekretär Volker Wissing übernimmt das Verkehrsministerium.

Die SPD stellt den Kanzler Olaf Scholz, dazu sechs weitere Minister. Als Minister soll Wolfgang Schmidt das Kanzleramt leiten. Das Arbeits- und Sozialministerium bleibt weiter wie in der Groko unter der Leitung von Hubertus Heil. Für das Innenministerium ist Christine Lambrecht vorgesehen, das Gesundheitsministerium soll Petra Köpping aus Sachsen übernehmen, das Verteidigungsministerium Siemtje Möller aus Niedersachsen, Klara Geywitz das Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und das Ministerium Bauen/Wohnen übernimmt Svenja Schulze.

Erst zur späten Stunde des 25. November hatte der Parteirat der Grünen darüber entschieden, wer von ihnen Minister wird. Robert Habeck wird Vizekanzler und Klima- und Wirtschaftsminister. Als Außenministerin benannt ist Anna Baerbock. Statt des Parteilinken Anton Hoftreiter bekommt der „anatolische Schwabe“ Cem Özdemir das Landwirtschaftsministerium. Steffie Lemke übernimmt das Ministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Für das Familienministerium ist Anne Spiegel vorgesehen. Die bisherige Parlamentsvizepräsidentin Claudia Roth ist als Kulturstaatsministerin vorsehen, Karin Göring-Eckardt wird ist als Parlamentsvizepräsidentin vorgesehen. Ob das so bleibt, darüber werden die Mitglieder der Grünen in den nächsten Tagen abstimmen.

Sorgenvoll ist der Blick auf die Werft Blohm +Voss gerichtet. Bei der Hamburger Traditionswerft droht ein massiver Stellenabbau. Nach Angaben des Gesellschafters der Werft Peter Lürßen ist diese nicht mehr wettbewerbsfähig. Aufgegeben ist das Geschäft mit Handelsschiffen, wo bislang in den Hamburger Docks regelmäßig Frachter oder Spezialschiffe repariert wurden. Überprüft werden nun auch die Docks, Hallen und Lagerplätze der Werft ob diese noch gebraucht werden. Trennen wird sich die Werft vom Geschäft mit den Kreuzfahrtschiffen. Nach der IG Metall Küste soll bei der Werft von 580 Arbeitnehmer 133 Stellen gestrichen werden. So bleibt am Standort Hamburg nur der Marineschiffbau für die Bundesmarine übrig. Ob das so bleibt, ist heute bereits auch fraglich. Auch ob Wirtschaftshilfe für Blohm + Voss kommt, das entscheidet die neue Ampelregierung aus SPD, Grün und FDP in Berlin.

Auch bei Airbus in Finkenwerden läuft derzeit nicht alles rund. Der Airbus-Konzern will die Flugzeugfertigung in einem neuen Unternehmen straffen und sich ganz auf den Flugzeugrumpf konzentrieren. Von den Plänen bei Airbus Operations und Premium Aerotec sind rund 13.000 Arbeitnehmer betroffen. In Finkenwerder sind es 4.500 Werktätige die direkt betroffen sind. Nach einem von Corona bedingten Produktionseinbruch bei Airbus ist diese wieder angelaufen, die Zahl der bestellten Flugzeuge gestiegen. Die Gewerkschaft IG Metall will eine Spaltung der Belegschaft verhindern, fordert von Airbus Zusagen, dass die Arbeitsplätze auch im neu gegründeten Unternehmen sicher sind. Bisher kam es zwischen Airbus und IG Metall zu keiner Einigung. So stellen sich die Arbeitnehmer auf mögliche Warnstreiks ein.
khw

Friede, Freude, Eierkuchen? : Die Ampel

In der Sendung am 28.11.2021 bei Anne Will wurde über die Ampel und Pandemie diskutiert. Wer sich selber eine Meinung über die Ampel bilden will, sollte sich den Disput in der ARD-Mediathek gönnen.


Blohm+Voss-Werft in der Abendsonne


Airbuswerk Hamburg Finkenwerder


Nachtrag Olaf Scholzes Ministerriege für die Ampel
Am 6. Dezember 2021 verkündete Olaf Scholz, Nikolaus ähnlich, die Ministerriege der SPD. Der Kanzler benannte Wolfgang Schmidt, Minister des Bundeskanzleramts. Weiter: Nancy Faeser, Innenministerium; Christine Lambrecht, Verteidigungsministerium; Svenja Schulze, Entwicklungsministerium; Klara Geywitz, Ministerium für Bauen und Wohnen; Hubertus Heil, Arbeits- und Sozialministerium; Karl Lauterbach, für das Gesundheitsministerium. Die Grünen entsenden als Minister: den Vizekanzler Robert Habeck, Vizekanzler für das Ministerium für Wirtschaft u. Klimaschutz. Annalena Baerbock Außenministerium, Anne Spiegel Familienministerium, Steffi Lemke das Umweltministerium, der anatolische Schwabe Cem Özdemir Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft und Claudia Roth wird die Staatsministerin für Kultur. Die FDP entsendet als Minister: Christian Lindner ins Finanzministerium, Marco Buschmann ins Justizministerium, Volker Wissing ins Verkehrsministerium, Bettina Stark-Watzinger ins Bildungsministerium. Diese Ministerriege bleibt den neoliberalen Glaubensätzen treu.
Wie sagte schon der Showmaster Rudi Carrell: »Laasss Diiesch überrrraschen!«.