01.10.2020
Hamburger Korrespondenz im November 2020


Die Headline der Neue Zürcher Zeitung am 30. November »Bloß keinen zweiten Lockdown«, in der zweiten Zeile »Der Bundesrat (Schweiz) beschließt neue landesweite Maßnahmen«. Für die Bundesrepublik beginnt der zweite Lockdown – mit dem Zusatz »light« versehen – am 2. November 2020 um 0:00 Uhr. Das wurde beschlossen und verkündet nach ausgiebiger Diskussion von Bundeskanzlerin Merkel und den 16 Ministerpräsidenten von der Nordsee bis in die bayerischen Alpen. Warum der Beginn des neuen »Lockdown light« mit Verzögerung, und nicht einen Tag später mit der Umsetzung des Beschlusses liegt wohl daran, dass die Bundesrepublik ein föderativer Staat ist. Dabei wäre in Zeiten der Pandemie eine zentralistische Bundesrepublik – auch bei der Bildung – durchsetzungsfähiger.

Auf der im TV-gesendeten Pressekonferenz am späten Nachmittag des 28. Oktober sagt die Bundeskanzlerin Merkel: »Wir wollen nicht in eine nationale Gesundheitsnotlage geraten« und forderte die Bundesbürger zur »nationalen Kraftanstrengung« auf. Bei der derzeitigen Zunahme der von Corona-Infizierten – heute 18681 - funktioniert eines der wichtigsten Instrumente der Pandemiebekämpfung nicht mehr. Es fehlen in den Gesundheitsämtern Kontrolleure, da helfen auch die Soldaten der Bundeswehr nicht. Merkel weiter: »es sind harte Maßnahmen, es sind belastende Maßnahmen.« Dabei wurde auch an die politischen Prioritäten gedacht, damit die Kitas und Schulen weiter offengehalten werden können. Dafür müssen die privaten Kontakte und der Freizeitbereich eingeschränkt werden.

Schließen müssen Theater, Opern, Konzerthäuser und Kinos – das auch, wenn sie fürsorgliche Hygienekonzepte haben. Auch der gesamte Freizeit- und Amateursportbetrieb ruht, ausgenommen davon ist der Individualsport. Im November findet der gesamte Profisport – von Fuß- bis zum Handball – ohne Zuschauer statt. Von Schließung ausgenommen soll in der Gastronomie nur die Abholung der Speisen für den Verzehr zu Hause. Verboten ist auch das touristische Reisen im Land, erlaubt ist Reisen für Unternehmer.

Die Bundestagsdebatte einen Tag später mit der Regierungserklärung und ihrer Verteidigung der Corona-Beschränkungen am 2. November zeigte in der Debatte die Parteien – Alternative für Deutschland und die FDP – von wo der Widerstand kommt. Für Alexander Gauland, ehemaliges CDU-Mitglied, heute AfD-Vorsitzender sind die Einschränkungsbeschlüsse vom 28. Oktober »maßlos und unangemessen«. Der Vorsitzende der FDP Christian Linder forderte, dass künftig der Bundestag Einschränkungen beraten und beschließen muss. Für mich stellt sich die Frage – warum werden nicht sofort zum 31. Oktober die Beschlüsse umgesetzt. Wir werden Ende November sehen, ob die Einschränkungen die Pandemie in die Knie zwingt.

Dramatisches spielt sich auch in England ab. Bei der Labour-Party heißt es: Antisemitismus oder Säuberungsaktion in der Linkspartei. Der ehemalige Parteivorsitzende Jeremy Corbyn vertrat über Jahre – auch als Parteivorsitzender – linke Positionen, die vom rechten Parteiflügel abgelehnt wurden. Ein Dossier aus dem Jahre 2017 zeigt, dass Führungskräfte der Partei bei den anstehenden Unterhauswahlen in diesem Jahr alles in Gang setzten, dass die Wahl für Labour, auch für Corbyn, eine Niederlage wurde. So endeten auch die Unterhauswahlen. Der britischen Tageszeitung »The Indepedent« liegt der Datensatz von über 800 Seiten vor. Es wird dokumentiert, dass die Mitglieder des rechten Labour-Flügels die Anhänger Corbyns – in Anlehnung an Leo Trotzki – als »trotz« bezeichneten. Für den Rauswurf von Jeremy Corbyn soll einmal wieder die Antisemitismuskeule der Rechten in der Labour Party funktionieren. Am 29. Oktober 2020 wurde der frühere Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn aus der Partei ausgeschlossen. In der Begründung heißt es, die Labour-Partei und ihr Ex-Vorsitzender hätten Diskriminierung von Juden zugelassen. Corbyn hat die Vorwürfe zurückgewiesen und twitterte, dass er den Ausschluss aus der Labour-Partei anfechten werde. Wir werden sehen – ob rechts oder links gewinnt.
khw

Bunter Herbst mit Beschränkungen


Bundeskanzlerin wohlbehütet