21.04.2024
Lina Loos: DAS BUCH OHNE TITEL – ERLEBTE GESCHICHTEN

Lina Loos, geborene Carolina Catharina Obertimpfler, wurde am 9. Oktober 1882 in Wien geboren, starb in Wien am 6. Juni 1950. Sie war eine österreichische Schauspielerin und schrieb fürs Feuilleton und eine kurze Ehefrau des Architekten Adolf Loos.

Ihr Vater war der Cafetier Carl Obertimpfler, der 1897 bis zu seinem Tod 1927 das von ihm gepachtete Café Casa Piccola in der Mariahilfer Straße in Wien führte. Im Stock über dem Café hatte die Klimt-Freundin Emilie Flöge mit ihren Schwestern ab 1904 den Modesalon „Schwestern Flöge“.

Lina Obertimpfler war eine stadtbekannte Schönheit, hatte zahlreiche Verehrer, darunter auch Theodor Csokor später ein enger Freund. Im Stammtisch des Löwenbräu hinter dem Burgtheater lernte Lina als Schauspielschülerin im Frühjahr 1902 den wesentlich älteren Alfred Loos kennen den sie am 21. Juli 1902 in Eisgrub in Südmähren heiratete. Ein Jahr später bezog das Ehepaar die Wohnung in der Bösendorferstrasse. Die Einrichtung der Wohnung befindet sich heute im Wien Museum. Die Ehe endete bei der Trennung in einen Gesellschaftsskandal. Lina Loos und der Gymnasiast Heinz Lang hatten eine Affäre. Als Adolf Loos Langs Liebesbriefe entdeckte, beendete Lina Loos sofort ihre Beziehungen zu Lang.

Dieser befragte Peter Altenberg um Rat. Nach den Aufzeichnungen Hugo von Hofmannsthal wurde ihm geantwortet: „Was Sie tun sollen? Sich erschießen. Was sie tun werden? Weiterleben. Weil sie so feig sind wie ich, so feig wie die ganze Generation, innerlich ausgehöhlt, ein Lügner wie ich.“ Heinz Lang nahm sich am 27. August 1904 das Leben, Arthur Schnitzler verarbeitete diese Affäre zum Stück „Das Wort“, blieb aber unveröffentlicht.
Vor den Folgen des Skandals flüchtete 1905 Lina Loos in die USA, wirkte in der Theatertruppe von Heinrich Conried mit, kehrt bereits im selben Jahr nach Europa zurück. Ihre Ehe ist bereits seit Juni 1905 geschieden. Sie spielt auf verschiedenen Bühnen in Deutschland und ist ab 1907 wieder in Wien. Bereits ab 1904 schreibt sie fürs Feuilleton „Neues Wiener Journal“, „Neues Wiener Tageblatt“, „Der Querschnitt“ und „Die Dame“, ab 1946 bis 1949 in der kommunistischen Kulturzeitschrift „Österreichisches Tagebuch“.

Nach wie vor Schauspielerin spielte sie Leipzig, Frankfurt und Berlin, am Volkstheater und der Scala in Wien auf. In den NS-Jahren zog sich weitgehend aus Öffentlichkeit zurück, nach 1945 in der KPÖ-nahen Friedensbewegung, wurde 1949 Präsidentin des bundes demokratischer Frauen und Mitglied des österreichischen Friedensrates. In zwei Auflagen erschien 1947 und 1948 Lina Loos: „Das Buch ohne Titel“.

Im Vorwort der Ausgabe der Edition Atelier Wien 2024 erinnert Adolf Opel an den 1. April 1945: „Die Schlacht um Wien ist nach zehntägigen Straßenkämpfen und mehr als 50 Luftangriffen auf die Stadt beendet und die Rote Armee zieht ein. Lina Loos ist in Wien geblieben, sie hat sich nicht »evakuieren« lassen, obwohl sie die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Auch Sievering, wo sie schon seit fast vier Jahrzehnten wohnt, liegt in der Kampfzone. Die in der Stadt verbliebende Bevölkerung erwartet sich von den einrückenden Russen das Schlimmste … Die 63-jährige Lina Loos wagt sich als einzige auf die Straße, sie kommt den Soldaten der Roten Armee mit Salz und Brot entgegen – und die siegreichen Russen akzeptieren wie selbstverständlich ihre Geste des Angebots von Frieden und Freundschaft. Sie sollen sogar ein erbeutetes Schwein geschlachtet und es den hungernden Bewohnern von Sievering geschenkt haben.“
khw


LINA LOOS: DAS BUCH OHNE TITEL – ERLEBTE GESCHICHTEN

EDITION ATELIER, Wien 2024
296 Seiten – 22 Euro