27.01.2021
Peter Kamber: Fritz und Alfred Rotter – Ein Leben zwischen Theaterglanz und Tod im Exil

Der Autor Peter Kamber, 1953 in Zürich geboren, studierte Geschichte und Soziologie, er ist Journalist, Historiker und Romancier. Seine Recherchen führten ihn nach Lausanne, Bern und Paris. Die im Henschel-Verlag Leipzig veröffentlichte Biografie von Fritz und Alfred Rotter ist das Ergebnis einer langjährigen intensiven Recherche von Peter Kamber, der heute in Berlin lebt und arbeitet.

Wir schreiben Sommer 1932 in Berlin. Die Theaterdirektoren Fritz und Alfred Rotter folgen dem Gerichtsvollzieher durch ihre Villa in der Kunz-Buntschuh-Straße 16 - 18 in Berlin Grunewald. Es wird gepfändet. Die Brüder Rotter wissen, dass sie nur noch durch große Erfolge ihre Theaterimperium retten können. Der Gerichtsvollzieher Schablin findet Werte für 31 290 Reichsmark in der Grunewald-Villa. Alfred Rotter verweigert die Unterschrift, der Bruder Fritz wird erst gar nicht erst gefragt. Trotzdem erklärt der Gerichtsvollzieher den Vorgang für geschlossen.

Die Gebrüder Rotter bespielten im Frühjahr 1932 in Berlin diese Theater: Metropol-Theater, Theater des Westens, Lessing-Theater, Admiralspalast, Lustspielhaus, Zentraltheater Berlin. Dazu in Dresden das Zentraltheater und das Albertheater, in Hannover ist es das Mellini-Theater.

Den Gerichtsvollzieher im Nacken hängt der Fortbestand des Rotter-Theaterimperiums davon ab, ob Fritzi Massary, gerade 50 Jahre alt geworden, im Metropol-Theater die Operette »Eine Frau, die weiß, was sie in will« spielt. Zu den größten Erfolgen der Brüder Fritz und Alfred Rotter gehört die Uraufführung von Paul Abrahams Operette »Ball im Savoy« im Großen Schauspielhaus am 23. Dezember 1932 mit Gitta Alpár und Oskar Dénes. Bereits Anfang April 1933 erzwang die NSDAP im Zusammenhang mit ihrem Judenboykott den Abbruch der Operette.

Bereits für ihre persönliche Sicherheit hatten Fritz und Alfred Rotter bereits 1931 die Staatsbürgerschaft des Fürstentums Lichtenstein angenommen. Am 22. Januar 1933 verließen die Rotters Deutschland, zunächst in die Schweiz, dann nach Lichtenstein. Fritz Rotter hatte bis zuletzt verzweifelt versucht, frisches Kapital aufzutreiben, um den Zusammenbruch des Theaterimperiums abzuwenden. Am 22. Januar 1933 stellte das Amtsgericht Mitte einen Haftbefehl gegen die Brüder aus. Der NS-Propaganda avancierte die Pleite der Rotter-Brüder zum Bild von »jüdischen Finanzhasardeuren«. In der Ausgabe des »Völkischen Beobachters« vom 20. Januar 1933 nannte das NS-Blatt die Brüder Rotter verächtlich die »verkrachten Theaterjuden«. Noch 1940 wurden Fotos von Alfred und Fritz Rotter als abschreckendes Beispiel eines charakterlosen Finanzjudentums der Weimarer Republik in Fritz Hipplers filmische Judenhetze »Der ewige Jude« gezeigt.

Anfang April 1933 locken einige Nationalsozialisten aus Deutschland und Lichtenstein Fritz und Alfred Rotter und seine Ehefrau aus ihrem Exil aus einem alpinen Waldhotel heraus, um sie nach Deutschland zu entführen. Bei der Hetzjagd durch das Gebirge stürzen Alfred und Gertrud Rotter von einem Felsen unterhalb von Gaflei zu Tode. Fritz Rotter kann den Nazis entkommen. Vier Tage später werden die Toten Eheleute Rotter im schweizerischen Chur kremiert, ihre Grabstelle ist nicht bekannt.

Der Prozess gegen die 4 Nazis im Fürstentum Vaduz findet am 7. und 8. Juni 1933 statt und endet mit milden Haftstrafen. Das Gericht bezeichnet die Menschenjagd als ein »harmloses Miniatur-Pogrom«. Bereits einen Monat später schreiben tausend Vaduzer eine Petition, fordern eine sofortige Begnadigung der NS-Täter. Die »Arbeiter Illustrierte Zeitung« (AIZ), die bereits in Prag erscheint, gehört der Entführungsversuch der Rotter in die Reihe der »braunen Feme«.

Fritz Rotter geht nach Frankreich ins Exil, soll Antrag der deutschen Justiz nach Hitler-Deutschland abgeschoben werden. Das widerruft die Französische Justiz. Auch die Dresdner Bank beteiligt sich im von den Nazis besetzten Frankreich bei der Suche nach Fritz Rotter. Am 9. Januar 1942 bekommt die »Dresdner Bank Filiale Straßburg« aus Kolmar die Nachricht, das Fritz Rotter am 7. Oktober 1939 in Kolmar verstorben ist.

Seit 2002 befindet sich am Fels von Gaflei bei Vaduz eine Gedenktafel des Künstlers Hansjörg Quaderer für Gertrud und Alfred Rotter mit den Zeilen »…von Liechtensteiner und deutschen Nationalsozialisten in den Tod getrieben.«
khw


Fritz und Alfred Rotter
Ein Leben zwischen Theaterglanz und Tod im Exil

Henschel Verlag, Leipzig 2020
506 Seiten - sw-Fotos - 26,00 EUR