27.01.2021
Dominique Manotti: MARSEILLE.73

Im Vorwort schreibt Else Laudan: »Willkommen zu einem Abstecher in die Geschichte des Rassismus. Während an der Côte d'Azur die Sommersonne glitzert, das Werftgelände in La Ciotat (hier wurde auf dem Bahnhof 1896 von den Brüdern Lumière die erste Filmaufnahme gedreht) vom Arbeitslärm widerhallt, der Duft von Couscous durch die Gassen von Marseille zieht und im alten Hafen versenkte Leichen auftauchen, liegt die militante Kolonialpolitik Frankreichs kaum mehr als ein Jahrzehnt zurück. Pieds-Noirs, Algerienheimkehrer, finden sich in allen Strukturen der Stadt und reiben sich an der Anwesenheit maghrebinischer Arbeitskräfte. In der Polizeizentrale Évêché tobt ein Kleinkrieg zwischen den Etagen, chauvinistische Seilschaften mauscheln und verwalten ihre Pfründe.

Commissaire Théo Daquin ist der lange Arm Dominique Manottis, mit ihm greift sie in die Vergangenheit und knöpft sich die Gemengelage vor, die in Frankreich den radikalen Nationalismus zur Blüte trieb.«

Mit diesem Vorwort wird im Krimi »Marseille.73« wird der Leser eingeführt.

Es geht um die landesweite Kampagne »Stoppt die wilde Einwanderung«, mit dem Gesetz der Regierung am 9. Juni 1973 beschlossen. Im Prolog steht: »In Grasse wie andernorts fühlen sich die eingewanderten Arbeiter bedroht. Am 11. Juni 1963 halten sie in der Altstadt, wo viele von ihnen in Bruchbuden leben, eine Versammlung unter freiem Himmel ab und beschließen, am nächsten Tag für Arbeitsverträge und anständige Unterkünfte zu streiken. Über Nacht bedecken sich die Mauern der Stadt mit Schwarzweißplakaten, der Slogan »Stoppt die wilde Einwanderung« trägt den Stempel des Ordre nouveau.

Viele folgen dem Streikaufruf für den 12. Juni, zwei- bis dreihundert Streikende versammeln sich am Morgen vor dem Rathaus von Grasse. Sie verlangen, dass der Bürgermeister eine Delegation empfängt, die ihm ihre Forderungen vortragen soll.

Statt die Delegation zu empfangen, ruft der Bürgermeister die Feuerwehr, lässt die Arbeiter mit Wasserwerfern auseinandertreiben und fordert zur Verstärkung die Bereitschaftspolizei CRS (Compagnies Républicaines de Sécurité) an.

Am Nachmittag schlendern Gruppen von Streikenden durch die Altstadt, wo viele von ihnen wohnen, und diskutieren. Gegen 16 Uhr gehen die CRS-Truppen mit Schlagstöcken heftig gegen sie vor, die Handwerker und Händler von Grasse bewaffnen sich mit Knüppeln und schließen sich den CRS an. Die Jagd auf Immigranten bis in die Häuser hinein dauert den ganzen Abend und bis zu einem Teil der Nacht. Bilanz: fünf Schwerverletzte, zweihundert Verhaftungen.«

Mit diesem Vorwort leitet die Autorin - Mitglied der Gewerkschaft CFDT - Dominique Manotti, von Beruf Historikerin mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit, ihre spannende Kriminalgeschichte von Marseille ein.
khw


Dominique Manotti: MARSEILLE.73

Argument Verlag, Hamburg 2020
397 Seiten - Oktavformat – 23,00 EUR