28.10.2020
Manfred Grieger, Rainer Karlsch und Ingo Köhler: EXPANSION UM JEDEN PREIS
STUDIEN ZUR WINTERHALLS AG ZWISCHEN KRISE UND KRIEG 1929 - 1945

In der Einleitung schreiben die Autoren: »Zu Beginn des Jahres 2019 beauftragte die Wintershall Holding GmbH ein Expertenteam der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V. damit, die Geschichte ihres Unternehmens im Nationalsozialismus professionell zu analysieren und analysieren zu lassen. Gleich mehrere Motive veranlassten das Unternehmen, die Vergangenheit nicht ruhen zu lassen, sondern sich ihr aktiv zu stellen. Sicherlich bot das im Herbst 2019 anstehende 125-jährige Gründungsjubiläum des Kasseler Energiekonzerns einen passenden Anlass zurückzublicken um sich der eigenen Geschichte als wirkungs- und wandlungsvolle Zutat der historisch gewachsenen Identität des Unternehmens zu versichern. Dies galt umso mehr, da der Konzern nahezu zeitgleich eine Fusion mit der ebenso traditionsreichen deutschen DEA (Deutsche Erdöl AG) vollzog. Dieser Schritt der Wintershall DEA in eine gemeinsame Zukunft, ließ auch ein neues Bewusstsein für die zurückliegenden Jahre entstehen, die das Unternehmen auf seinem Weg von einem Kali-Gewerk zu einem heute in Europa führenden Erdgas- und Erdölproduzenten passiert hat«.

Weiter heißt es: »Auf einer seiner ganz entscheidenden historischen Etappen begab sich das Unternehmen mit seinem langjährigen Generaldirektor August Rosterg geradewegs auf einen antidemokratischen Pfad und gehörte zu den frühen Sympathisanten und Unterstützern der NSDAP. Nicht nur während des Dritten Reiches, sondern auch noch lange in der Nachkriegszeit ließ das Unternehmen die gesellschaftliche Verantwortung vermissen, die sie gegenwärtig etwa als Mitinitiator der Initiative „Offen für Vielfalt - Geschlossen gegen Ausgrenzung“, die sich für gesellschaftliche Vielfalt und demokratische Werte einsetzt, an den Tag legt. So zählt der Wintershall-Konzern im Kontext der spätestens seit den 1990er Jahren einsetzenden Welle einer unternehmenshistorischen Aufarbeitung der Geschehnisse im Nationalsozialismus zu den Spätstartern. Allzulange wurde die eigene Verwicklung mit dem NS-Regime verschwiegen, verharmlost oder verdrängt.« Nun hat sich bald 75 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg Wintershall sich für eine Aufarbeitung seiner Geschichte gestellt.

Die Historiker Rainer Karlsch, Ingo Köhler und Manfred Grieger haben in ihren Essays die Geschichte des Kali- und Erdölkonzerns zwischen den Jahren 1929 und 1945 aufgearbeitet. Für ihre Untersuchung sowie intensive Recherchen konnte sie historisches Quellenmaterial aus staatlichen und privaten Archiven nutzen.

Eine exakte Zahl der Zwangsarbeiter wird in der Wintershall-Aufarbeitung nicht genannt. In der Raffinerie Lützkendorf waren von den etwa 8700 Beschäftigten zwei Drittel Zwangsarbeiter. Versorgt wurde die Raffinerie mit Zwangsarbeitern über ein Außenlager des Konzentrationslager Buchenwald.

Der Band blättert eine bisher nichtbekannte Firmengeschichte auf.
khw


GRIEGER/KARLSCH/KÖHLER: EXPANSION UM JEDEN PREIS
STUDIEN ZUR WINTERSHALL AG
ZWISCHEN KRISE UND KRIEG 1929-1945

SOCIETÄTS VERLAG, Frankfurt/Main 2020
250 Seiten - 20,00 EUR