17.10.2020
Eckart Kröplin: Operntheater in der DDR – Zwischen neuer Ästhetik und politische Dogmen

Der Musik- und Theaterwissenschaftler, 1943 in Güstrow Mecklenburg-Vorpommer geboren, der 1975 an der Leipziger Karl-Marx-Universität promovierte, 1978 sich habilitierte, hat eine Rückschau zur Geschichte der Operntheater DDR geschrieben. Dazu bemerkt Siegfried Matthus, Komponist und Dramaturg seinem Beitrag in dem Band: »In den fünfziger Jahren konnte man in Berlin großartige Theater- und Opernaufführungen sehen. Ich hatte das große Glück, diese Zeit als Student zu erleben - unter Vorlage des Studentenausweises erhielten wir Studenten für wenige Pfennige Eintrittskarten. In fast militanten Diskussionen wurde von uns über die Verfremdung des Berliner Ensembles oder über die Einfühlung, das Konzepts der Komischen Oper, gestritten. Erstaunt waren wir, wenn sich in öffentlichen Diskussionen in der Akademie der Künste die beiden Protagonisten Brecht und Felsenstein sehr respektvoll über die Arbeit des Partners äußerten. Als wären Verfremdung und Einfühlung keine unlösbaren Widersprüche.«

Aufschlussreich ist das Vorwort von Eckart Kröplin. Er schreibt: »Erinnern heißt Vergangenheit aufsuchen. Die Wiedervereinigung Deutschlands vor dreißig Jahren war für mich Anlass, Rückschau zu halten auf ein besonderes Kapitel deutscher Vergangenheit, das ich als Beobachter und Beteiligter intensiv miterlebt habe. Rückschau nämlich auf das Operntheater in der DDR, das meines Erachtens allzu schnell in Vergessenheit geraten ist - zur »Fußnote« geworden ist, um mit Stefan Heym zu sprechen. Wer in der nur vierzig Jahre alt gewordenen DDR sozialisiert wurde und einen großen Teil seines Lebens und seiner Arbeit dort verbracht hat, versteht diese Besorgnis - und will sich gegen das Vergessen stemmen. Denn: Überschaut man das kulturelle Leben dieses Landes, stehen doch - trotz aller politischen Einmischung und Determination - unikale Erscheinungen in Literatur, Musik und Malerei vor Augen, Erscheinungen, wie sie so eben nur in der DDR entstehen konnten und wie sie oft nicht gleich als einzigartig wahrgenommen wurden. Die historische Distanz rückt oftmals Geschehnisse in ein neues geistiges Koordinatensystem.

Das ist auch für das Operntheater in der DDR zu konstatieren. Einige wenige weltberühmte Namen wie die der Komponisten Paul Dessau, Hanns Eisler, Siegfried Matthus oder Udo Zimmermann, der Regisseure Walter Felsenstein, Götz Friedrich, Joachim Herz, Ruth Berghaus oder Harry Kupfer, der Sänger Peter Schreier, Theo Adam, Hanne-Lore Kuhse oder Annelies Burmeister, der Dirigenten Franz Konwitschny, Kurt Masur, Otmar Suitner oder Rolf Reuter stehen einem vor Augen, doch viele weitere - und sie haben in ihrer Vielzahl eben das ungemein lebendige Bild des Opernlandes DDR geprägt - sind längst verblasst.«

Der Autor stellt fest, in der DDR gab es etwa fünfzig Theater, die Opernaufführungen zeigten. Das zur heutigen Theaterstruktur eine große Zahl. Dabei ragten die großen Häuser in Berlin, Dresden und Leipzig hervor. Aber auch Qualität boten die Theater in der Provinz von Schwerin über Meinigen bis Zwickau. Diese Theatergeschichte ist ein unverzichtbarer Teil der Kulturgeschichte Deutschlands. Und der ist im Westen so gut wie unbekannt. Daran erinnert Eckart Kröplin mit seinem Sachverstand. Lesenswert.
khw


Eckart Kröplin: Operntheater in der DDR
Zwischen neuer Ästhetik und politischen Dogmen

Henschel Verlag, Leipzig 2020
360 Seiten - reich illustriert – 28,00 EUR