02.10.2020
Paul Erker: ZULIEFERER FÜR HITLERS KRIEG – DER CONTINENTAL-KONZERN IN DER NS-ZEIT

Paul Erker, Prof. Dr. - Lehrstuhl für Neueste Geschichte Zeitgeschichte an der Ludwig Maximilians Universität in München - hat nach »BOSCH – GESCHICHTE EINES WELTUNTERNEHMEN«, »RENTEN IM DRITTEN REICH« und »Chemie und Politik – Geschichte der Chemischen Werke Hüls 1938-1978, gemeinsam mit Bernhard Lorenz« in den ersten Herbsttagen den Band »ZULIEFERER FÜR HITLERS KRIEG - DER CONTINENTAL-KONZERN IN DER NS-ZEIT« veröffentlicht. Es sind 867 Seiten, die der Autor seinen Lesern anbietet. Der heutige Dax-Konzern arbeitet endlich mit Erkers Hilfe seine Nationalsozialistische Geschichte auf. Es geht um eine Anpassung der Unternehmenskultur an die Nazis, die Förderung von Hitlers Raubkrieg in Europa mit Hilfe von Zwangsarbeitern aus allen Teilen Europas, die zur Arbeit bei Continental gezwungenen KZ-Häftlinge wie die Roma und Sinti.

Paul Erkner schreibt. »Continental hat sich lang Zeit vor einer wirklichen Analyse seiner Rolle in der NS-Zeit gedrückt. Als einer der letzten – aber bei weitem nicht der letzte Dax-Konzerne stellt sich Continental daher nun seiner Geschichte in der NS-Zeit.« Aber stimmt das so? Die Geschichte der Continental hat Paul Erker aufgearbeitet auf aufgeschrieben. Auch die der Familie Opel, damaliger Hauptanteilseigner, den Aufsichtsrat wie Vorstand der Gesellschaft. Der Generaldirektor Willy Tischbein signalisierte nicht nur nach außen seine volle Unterstützung, er verpflichtete auch sämtliche Vorstandskollegen, auch die zweite Führungsebene mit dem sofortigen Eintritt in die NSDAP mit gutem Beispiel voranzugehen. Flankiert wurde der NSPAP-Eintritt mit einer Millionen-Spende an die Partei wie Wehrverbände. Auch wurde dafür gesorgt, dass alle Aufsichtsräte mit einem jüdischen Hintergrund „freiwillig“ zurücktraten, auf eine Wiederwahl verzichteten.

Continental war das Rückgrat der NS-Rüstungs- und Kriegswirtschaft im Bereich von Auto- und Flugzeugreifen, Gleisketten für Panzer, hydraulische Bremsen, Kontroll- und Messinstrumente für die V-1 Raketen, Panzer und Geschütze. Dazu kam die Herstellung der Millionen Volksgasmasken. Zum Konzern gehörten VDO, Teves, Phoenix und Semeprit, die waren über das Reich von Hannover, Hamburg, Frankfurt/Main und Berlin verteilt. Von 1940 ist Fritz Könecke Generaldirektor der Continental, der sich mit einer opportunistischen Anpassung auszeichnet. Der Krieg, der mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 begann, endet mit der bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai 1945.

Für fast alle Topmanager endet das Entnazifizierungsverfahren mit einer Entlastung der Einstufung als Mitläufer, haben im Nachkriegsdeutschland eine „Anschlusskariere“. Der noch vor Kriegsende sich abgesetzte Generaldirektor Könecke stilisiert sich im Entnazifizierungsverfahren als Opfer der Nazis. Er wird 1945 von Continental entlassen, vom Entnazifizierungsausschuss als „nicht betroffen“ eingestuft. Er kehrt nicht zur Continental zurück, wechselt zur Phoenix nach Hamburg-Harburg, wird 1952 in den Vorstand von Daimler berufen. Als dessen Vorsitzender scheidet er, Träger des Bundesverdienstkreuzes 1960 aus dem harten Arbeitsleben aus.

Heute gehören Continental überall die ehemaligen Unternehmen, ausgenommen in Frankreich, wieder.

Ein Buch, das zornig macht, wie mit den Tätern hierzulande umgegangen wurde.
khw


Paul Erker: ZULIEFERER FÜR HITLERS KRIEG
DER CONTINENTAL-KONZERN IN DER NS-ZEIT

Walter de Gruyter GmbH., Berlin/Boston 2020
867 Seiten - zahlreich sw-Fotos - 49,95 EUR