14.09.2020
Siegfried Unseld: Reiseberichte

Verlagserfahrungen aus 60 Jahren der hat Suhrkamp Verlag dem Band von Siegfried Unselds Reisebericht dem Titel dazu gesetzt. Zehn Tage, nach dem Siegfried Unseld am 1. April 1959 die Leitung des Suhrkamp Verlags übernommen hat, reiste er vom 10. bis 13. April nach Berlin/DDR zum Besuch des Brecht-Archivs, Frau Hauptmann, Frau Weigel, Frau Franck, Buchhandlung Schoeller und Herrn Schnurre.

Karl Siegfried Unseld, so sein vollständiger Name, wurde am 28. September 1924 geboren. Seine Schulzeit verbrachte er in Ulm, kam im Juni 1933 zum Jungvolk der Hitler-Jugend. Ab 1935 ist er Schüler am Realgymnasium. 1942 das Notabitur und wird zur Kriegsmarine eingezogen und zum Funker ausgebildet. Im Sommer 1943 ist er auf der Krim. Als die sowjetische Rotbannermarine die Stellung bei Sewastopol zurückerobert, rettete sich Unseld vor der Gefangennahme durch einen Sprung ins Schwarze Meer, wird Stunden später von einem Schnellboot der Hitler-Marine aufgenommen. Nächste Stationen seines Marinelebens sind Bulgarien und Griechenland. Das Ende des 1000jährigen Reiches erlebt er in Flensburg im Januar 1946 ist er wieder in Ulm. Im Sommer 1946 holt er sein Abitur - ein echtes wie er sagt – nach, arbeitet als Buchhandlungsgehilfe, beginnt ein Studium an der Universität Tübingen und schließt es mit einer Dissertation über Hermann Hesse ab. Das war 1951 noch üblich, nur über verstorbene Schriftsteller zu forschen, außerdem war Hesse umstritten. Am 23. Oktober 1951 fand das erste Treffen zwischen Peter Suhrkamp und Siegfried Unseld statt, am 7. Januar 1952 begann er mit seiner Tätigkeit im Suhrkamp-Verlag. Am 1. Januar 1958 wurde Unseld Gesellschafter, bereits ein Jahr später, nach dem Tod von Peter Suhrkamp übernahm er als alleiniger Verleger den Suhrkamp-Verlag.

Verdienstvoll ist, dass sich Siegfried Unseld seit dem Mauerbau sich dafür einsetzte, dass DDR-Verlage erlaubt wurde, sich auf der Frankfurter Buchmesse zu präsentieren. Das wurde ihm jahrelang vorgehalten.

Das Buch, fast 400 Druckseiten, zeigt einen außergewöhnlichen Verleger, der entscheidungsfreudig und umsichtig zu gleich ist.

Eindrucksvoll sein Besuch bei Samuel Beckett in Paris am 19. und 20. Mai 1989. Obwohl Unseld mit Becket um 12 Uhr im Café Français, vis-à-vis seiner Pariser Wohnung in der rue St. Jacques Nummer 38 verabredet ist, erscheint kein Samuel Beckett. Abends erhält Unseld eine Notiz von Jérôme Lindon, er soll Beckett am Samstag um 14 Uhr sehen, nicht im Café Français, sondern im neunen Ort in der rue Rémy Dumoncel Nr. 26. Unseld schreibt: »Ich ging weiter, an einem kleinen trocken-kahlen Innengärtchen vorbei, plötzlich hörte ich »Siegfried, Siegfried«, ich konnte die Stimme nicht orten, doch da war eine Tür geöffnet, und ich trat ein. Beckett erwartete mich stehend. Verwirrt, wie ich war, sah ich nur sein irgendwie leuchtendes Gesicht, erst allmählich entdeckte ich das, was Max Frisch einmal als »gute Architektur seines Kopfes« bezeichnet hatte, entdeckte ich seine Gestalt. Beckett war noch hagerer, noch schlanker, noch dünner geworden.«

In den Reiseberichten erfährt man viel über Bücher und Autoren des Suhrkamp Verlags.
khw


Siegfried Unseld: Reiseberichte

Bibliothek Suhrkamp Band 1451, Berlin 2020
378 Seiten - 25,00 EUR