14.09.2020
Wolfram Schubert: ICH WILL ERINNERUNGEN

In dem Buch beschreibt Wolfram Schubert seine Geschichte. So heißt es in dem Band auch: »Ich will – wir alle haben diese beiden Worte gedacht, gesprochen und geschrieben. Nicht viele haben dieses Wollen auch umsetzen können. Wolfram Schubert, vor über 90 Jahren in einem Dorf im Fläming zur Welt gekommen, wollte lernen, hat das ländliche Leben genossen und mit seiner ruhig Kraft Krieg und Gefangenschaft überlebt. Ab 1950 studierte er in Berlin-Weißensee und hat danach als freier Künstler an allen wesentlichen Kunstausstellungen in der DDR teilgenommen.« So der Klappentext.

Wolfram Schubert wurde in dem Dorf Körbitz nahe Jüterbog geboren. Es eine packende Lebensgeschichte, geboren in einem Dorf, wo er als Kriegsfreiwilliger und Sowjetischer Kriegsgefangenschaft zurück kommt, 1950 ein Studium der Malerei an der Hochschule für angewandte Kunst Berlin-Weißensee beginnt, das 1955 mit einem Diplom beendet. Er bleibt bis 1958 als Aspirant an der Hochschule, arbeitet danach freiberuflich.

Ein Ausschnitt aus seiner Arbeit im Künstlerverband: »Meine Hoffnungen richteten sich auf eine Renaissance, auf eine Wiederbelebung realistischer Traditionen in der Kunst. Vorbild und Gleichgesinntes fand ich in der Kunst der mexikanischen Realisten Rivera, Siqueiros und Orozco, auch bei dem italienischen Realisten Renato Guttuso.

Nicht mit einem Paukenschlag oder einem Geniestreich würde man eine kulturell unbedarfte Provinz in eine blühende Region verwandeln können. Vergleichbar mit einem gotischen Dom galt es eher Stein auf Stein zu legen, bis das Werk am Ende in seiner ganzen Schönheit dastehen würde: Zur Zierde des Landes und der Stadt. Wir mussten den Grundstein dafür legen, mit Worten und Taten die Menschen dafür gewinnen. Das würde dauern, dachte ich. Wie der Bau der „Familia Sagrada“ in Barcelona oder länger.

Der Bezirk Neubrandenburg war eine ökonomisch schwache Agrarprovinz. Es ging darum, auf dem Lande Bedingungen zu schaffen, die dem städtischen Leben angemessen schienen. Dazu gehörte auch, ein kulturell ähnliches Modell zu entwickeln, wie es in großen Städten zur Normalität gehörte. Der Literatur wurde eine führende Position im Kulturleben beigemessen. Helmut Sakowski, Brigitte Reimann, Herbert Jobst und andere hatten sich auf Einladung und Betreiben der Behörden angesiedelt. Mit Theaterstücken und Romanen erregten sie Aufmerksamkeit.

Daneben führte die bildende Kunst in den 50er und 60er Jahren ein relativ bescheidenes Leben. Mangelnde und mangelhaft ausgestaltete Ausstellungsmöglichkeiten verhinderten eine größere Wirksamkeit der Kunst in der
Öffentlichkeit. Die erste Bezirksausstellung fand in den 50er Jahren in der einzigen Buchhandlung Neubrandenburgs statt. Die Räume waren so eng, dass größere Besuchergruppen keinen Platz fanden. Die Museumsräume in der Bezirkshauptstadt eigneten sich nicht dafür, Tafelbilder und Grafik in repräsentativer Form auszustellen. Auch konnte die geringe Zahl an Mitgliedern des Verbandes kein entsprechendes Gegengewicht zur zeitweiligen Überbetonung der Laienkunst setzen.

Die verbreitete Auffassung lautete, Kunst könne nur in den Zentren mit entsprechendem Flair entstehen, mit Hochschul- und Universitätshintergrund. Dagegen standen unsere Meinung und unser Wille, zu beweisen, dass auch in der sogenannten Provinz dies möglich sei, wenn die Bedingungen dafür geschaffen würden. Aber wir waren alle noch nicht fertig ausgereifte Künstlerpersönlichkeiten. Wir befanden uns auf dem Wege, durch Arbeit an uns selbst die Fähigkeiten des Einzelnen auf ein Niveau zu heben, um große Aufgaben übernehmen und bewältigen zu können. Davon träumten wir. Zahlenmäßig waren wir die kleinste Verbandsgruppe. Die schwächste wollten wir nicht sein.«

Wolfram Schubert Erinnerungen an die Kunst in der DDR, das abseits von Berlin. Lesenswert.
khw


Wolfram Schubert: ICH WILL ERINNERUNGEN

Hendrik Bäßler Verlag, Berlin 2019
316 Seiten - Broschur - zahlreiche Fotos - 22,00 EUR