16.09.2020
Alexander Kluge: RUSSLAND-KONTAINER

In seinen »RUSSLAND-KONTAINER« packt Alexander Kluge alles hinein, was auf den ersten Blick gar nicht zusammengehört. Ähnlich sind auch seine Filme, produziert für seine Produktionsfirma dctp (Development Company for Television Progam mbH) die in den Programmfenstern der Fernsehsender von RTL, Sat 1, VOX und im Rahmen von Presse TV auf SRF1 und SRF info gesendet werden. Von 2001 bis 2006 betrieb dctp gemeinsam mit Spiegel TV den Fernsehsender XXP. Die Anteile von dctp und Spiegel TV wurden im Januar und August an den US-Medienkonzern »Discovery Communications« verkauft.

Alexander Ernst Kluge, so sein vollständiger Name, wurde am 14. Februar 1932 in Halberstadt geboren. Er ist Filmemacher, Fernsehproduzent, Schriftsteller, Drehbuchautor, Philosoph und Rechtsanwalt. In den 60er und 70er Jahren als er als einflussreicher Vertreter des »Neuen Deutschen Film«, die er mit seiner Theorie und Praxis begründete, gehörte auch der Gruppe 47 an. Bei den 8. Westdeutschen Kurzfilmtage in Oberhausen 1962 war Kluge einer der Initiatoren des »Oberhausener Manifest«. Hier heißt es: »Wie in anderen Ländern, so ist auch in Deutschland der Kurzfilm Schule und Experimenttierfeld des Spielfilms geworden. Wir erklären unsern Anspruch, den neuen Spielfilm zu schaffen.« Damit war es mit Opas Kino vorbei.

Kluge setzt alles in dem Schema, wie Historiker Ursachen und Wirkungen zu einander in Beziehung, auch wenn es auf dem Kopf gestellt wird. Er montiert seine Texte wie einst seine Bilder in seinen Filmen zusammen. Das ist seine Spielform mit der Alexander Kluge heute seine Geschichten erzählt. Mit diesem Stil des Erzählens kann er sich immer neu erfinden. Dabei ist sein RUSSLAND-KONTAINER keine Erzählung, wo alles historisch richtig ist.

Zwei Dinge haben es Alexander Kluge stets besonders angetan: der Zirkus und das Militär. Ein Beispiel dafür »Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos« oder seine drei Episoden in dem Dokumentarfilm mit Spielhandlung »Krieg und Frieden« von 1983.

Sein »Russland-Kontainer« ist eine Materialsammlung, jedoch sollte man sie vorsichtig lesen, arbeitet er doch Dinge um. So ist auch dieses Buch ein bebildertes Textgebirge, das Kluge nun Russland gewidmet hat. Über Film schreibt er :»FILMGESCHICHTE ALS STAFETTENLAUF - In den Skizzen von Kaufman, einem Oktavheft, findet sich ein rot unterstrichener Abschnitt: Im Dokumentarfilm muss, wie bei einem Staffellauf, ein Filmemacher einem Filmemacher der nächsten Generation und dieser wiederum einem der folgenden Generation das Thema übergeben. Gesellschaftliche Wandlungen erfordern Zeiträume von bis zu 600 Jahren; daran muss sich das dokumentarische Beobachterinteresse orientieren. Es ist notwendig, schreibt Kaufman, die Entwicklung der Spezies Mensch zur Dokumentation zu bringen. In der Musik, fährt er fort, pflanzen sich doch auch Kenntnis der Noten und künstlerische Qualitäten über die Generationen hinweg fort, warum nicht ebenso in der »einzigen authentischen Wissenschaft, dem Film«?« Nur wo soll heute ein Stafettenlauf stattfinden? Wohl eine Alexander- Kluge-Anregung, die nicht zu lösen ist.
khw


ALEXANDER KLUGE: RUSSLAND-KONTAINER

Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
444 Seiten - zahlreiche sw u. Farbfotos - 34,00 EUR