27.09.2020
Neo Rauch: Handlauf – Neues und Nachgereichtes

Neo Rauch, eigentlich Neo Hanno Rauch, geboren am 18. April 1960, Maler und Hochschullehrer, gilt als einer der bedeutenden Vertreter der »Neuen Leipziger Schule«. Der Band »Handlauf« zeigt Gemälde, die anlässlich der gleichnamigen Ausstellung in der Galerie EIGEN + ART in Leipzig im Frühjahr 2020 gezeigt wurden.

Mit der Gruppenausstellung »Junge Künstler im Bezirk Leipzig« im Lindenau-Museum in Altenburg 1986 ist der Beginn der öffentlichen Wahrnehmung von Neo Rauchs Bildern. Da hatte er bereits von 1981bis 1986 bei Arno Rink an der »Hochschule für Grafik und Buchkunst« (HGB) studiert, dann wurde er 1990 Meisterschüler bei Bernhard Heisig. Es folgt die Zeit als Assistent von Arno Rink an der HGB, das von 1993 bis 1998. Ab 2005 bis 2014 erst Hochschullehrer dann fünf Jahre eine Honorarprofessur an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig.

Die Bilderwelt von Neo Rauch ist von einer leuchtenden Farbigkeit geprägt. Seine Figuren befinden sich in überlappenden Räumen und Zeiten. Sein Stil durchdringt den sozialistischen Realismus, ist beeinflusst von Pop Art wie Comic. Auch wenn sein Werk konzeptionell dem Surrealismus ähnelt, ist auch magischer Realismus vorhanden. Häufig erträumt Rauch seine Sujets. Neo Rauchs Arbeiten werden Eigentümlichkeiten, Suggestivität und Zeitlosigkeit nachgesagt.

Den Text für den Band »Handlauf« liefern Betrachtungen vom Direktor des Museum de Fundatie, Ralf Keuning, Zwolle, Niederlande und seinem Ateliergespräch mit Neo Rauch im Mai 2020 aus Anlass seines sechzigsten Geburtstags. Unter »Die Figuren hören mit« schreibt Ralf Keuning: »Neo Rauch widerlegt diese Art von >Hineinlesen< mit ruhiger Entschiedenheit als etwas, das sich nur im Kopf des Betrachters abspielt. Seine Kunst ist nicht politisch, niemals. Die sich aufdrängenden Assoziationen gehen ganz auf Rechnung des Betrachters. Eine Quelle des Künstlers sind sie nicht.

Der Kern von Neo Rauchs Kunst besteht in seiner Welt, in seinen Träumen und Visionen. Dass er mit dem Drang seiner Betrachter zur Interpretation in der Regel souverän umgeht, belegt wohl der Umstand, dass ich meine Europa-Assoziationen bei »Gewitterfront« in unserem Ausstellungskatalog mit seiner Erlaubnis publizieren konnte. Ich empfinde dies als dauerhafte, offene Einladung des Künstlers an den Betrachter, die eigene Seele miteinzubringen - ein Fest von Gedanken und Gefühlen, das viele Liebhaber der Malerei Neo Rauchs miteinander teilen. - Dieses Fest sollte schon mit einiger Sorgfalt gefeiert werden. Die Gemälde sind wie Wesen, die vom Maler zum Leben mit eigenem Herzschlag und dem Bedürfnis nach einem eigenen Biotop erweckt wurden. Wenn sie das sichere Atelier des Künstlers verlassen, sollte für sie ein Ort gefunden werden - die Wohnung eines Sammlers oder ein Museum - an dem sie gedeihen, an dem sie für diejenigen, mit denen sie unter einem Dach leben, die Rolle des Gefährten erfüllen. Sie sollten mit Umsicht behandelt werden.

Diese Notwendigkeit wird manchmal unterschätzt. Vielleicht liegt das an der Faszination für das 18. und 19. Jahrhunderts, die in Rauchs Werk durchscheint: Jene Empfindung des Zeitreisenden, der seinen Lieblingsort in der Menschheitsgeschichte gefunden hat und der seinen Geist nun gerade auf jenen Bereich projiziert. Die schwere Arbeit auf seinem Acker sowie auf den Äckern seines Vaters und seiner Vorfahren bringt ein filigranes Konstrukt aus Bildern hervor, das an die Empfindsamkeit und Offenheit des Betrachters appelliert. Denn nur so kann dieser damit in Verbindung treten: Vorurteile, >Framing<, um dieses Modewort doch einmal zu benutzen, sind unangebracht und für den Betrachter sogar vollends unproduktiv. Seien Sie versichert, auch ohne einen einzigen Blick von uns vermögen die Gemälde Neo Rauchs der Ewigkeit zu trotzen und sie werden uns alle überleben.«
khw


Neo Rauch: HANDLAUF
Neues und Nachgereichtes

E.A. Seemann Verlag, Leipzig 2020
135 Seiten -Bilder der Gemälde -36,00 EUR