22.07.2020
THOMAS MANN: »DEMOCRACY WILL WIN!«

Eine Ausstellung im Münchner Literaturhaus versucht das Demokratieverständnis von Thomas Mann näher zu bringen. Anders als sein älterer Bruder Heinrich Mann wurde Thomas Mann erst in seiner Immigration in die Vereinigten Staaten von Nordamerika politisch. Den Titel der Ausstellung »Democracy Will Win« sagte Thomas Mann bei seiner Ankunft im Hafen von New York am 21. Februar 1938 in das Mikrofon einer Wochenschaukamera.

In dem Haus, wo die Ausstellung stattfindet, hat Thomas Mann von1894 bis 1933 gelebt. Mit Beginn der Nazi-Herrschaft am 30. Januar 1933 muste er ins Exil, zuerst in die Schweiz, dann nach Sunary-sur-Mer, und weiter nach Amerika. Erst hier wurde Thomas Mann politisch. Anders sein älterer Bruder Heinrich, seit 1926 Mitglied der Sektion Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste wurde 1931 ihr Präsident. Gemeinsam mit Käthe Kollwitz und Albert Einstein unterzeichnete er zweimal, 1932 und 1933 den dringenden Appell zur Aktionseinheit von der Kommunistischen Partei Deutschland und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands gegen die Nationalsozialisten. Es waren vergebliche Bemühungen, zur Aktionseinheit zu kommen. Bereits im Februar 1933 schlossen die Nazis Heinrich Mann aus der Akademie aus, im August des Jahres wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Anders als sein Bruder Thomas verlor Heinrich seine politische Heimat, zusätzlich wie sein Bruder, auch die sprachliche Heimat.

Die Ausstellung folgt der Biographie Thomas Manns, Lübecker Senatorensohn. Ein Kriegsbegeisterter 1914, dann Vernunftrepublikaner, im Exil dann eine prominente literarische Stimme. Von Oktober 1940 bis November 1945 hielt Thomas Mann 58 Radioansprachen für die BBC. Sie wurden als Gegenpropaganda in das von den Nationalsozialten regierte Deutschland und den okkupierten Ländern gesendet.

In seinen Rundfunkansprachen entlarvte er die Nazis die von ihnen verbreiteten Falschmeldungen als Lügen und nannte sie NS -Kriegsverbrecher, rief die Deutschen zum Widerstand auf

Im Ausstellungskatalog schreibt Alex Ross u.a.: »Was die deutsche Kriegsschuld betrifft, so löste Thomas Mann eine Kontroverse aus, die Jahrzehnte andauern sollte. Er war sich völlig bewusst, dass auf Nazi-besetzten Territorien Massenmorde begangen wurden - ein Genozid, der bei weitem denjenigen übertraf, den Franz Werfel in seinem Armenien-Roman »Die vierzig Tage des Musa Dagh« geschildert hatte. Bereits im Januar 1942 wies Thomas Mann in seiner Rundfunk-Ansprache »Deutsche Hörer!« daraufhin, dass vierhundert niederländische Juden durch Giftgas umgebracht wurden - mit einer »wahren Siegfried-Waffe«, so seine bittere Anspielung auf den unerschrockenen deutschen Sagenhelden. In seiner Rede »Die Lager« von 1945 führte er aus: »Denn alles Deutsche, alles was deutsch spricht, deutsch schreibt, auf deutsch gelebt hat, ist von dieser entehrenden Bloßstellung mitbetroffen. Es war nicht eine kleine Zahl von Verbrechern, [... die] diese Untaten begangen haben.«
Über die niederschmetternde Tatsache des Holocaust brachte Thomas Mann die Deutschen zu einer Selbstanalyse aufzurufen. Es ist seine berühmte Rede »Deutschland und die Deutschen«, die er 1945 in der Library of Congress hielt, in der er die dämonische Energie des Hitler-Regimes Wurzeln hatte, die bis zu Luther reichten. Die These der kollektiven Verantwortlichkeit - nicht dasselbe ist wie eine kollektive Schuld - löste heftigen Protest in Nachkriegsdeutschland aus, das in jenen Jahren nicht der Trend war. Auch die Entnazifizierung von den Alliierten wurde nicht allzu ernst durchgeführt. Mit dem Abwurf der A-Bombe der Amerikaner auf die japanischen Stadt Hiroshima und Nagasaki, die nicht mehr kriegsentscheiden für die Beendigung des Zweiten Weltkriegs, dazu gab der US-Präsident Harry S. Truman von der Potsdamer Konferenz aus im Juli 1945 den Befehl. Die Antihitlerkoalition zerbrach, der neue Feind des Westens heißt jetzt Sowjetunion. Somit wurden die Deutschen Ex-Nazis wieder benötigt, hatten sie doch den nötigen Biss gegen den neuen alten Feind.

Die Ausstellung im Münchener Literaturhaus spiegelt nicht nur Thomas Mann Exils in den USA wieder - es zeigt sein Leben.

Erinnern wir uns – Thomas Mann sagte: »Ich glaube, ich bin vor dem Verdacht geschützt, ein Vorkämpfer des Kommunismus zu sein. Trotzdem kann ich nicht umhin, in dem Schrecken der bürgerlichen Welt vor dem Kommunismus, diesem Schrecken, von dem der Faschismus so lange gelebt hat, etwas Abergläubisches und Kindisches zu sehen, die Grundtorheit unserer Epoche.« (Thomas Mann, Gesammelte Werke. , Frankfurt/M. 1960 Bd. 12, S. 934)
khw


Thomas Mann: DEMOCRACY WILL WIN!
Literaturhaus München – bis zum 4. Oktober 2020
Danach tourt die Ausstellung als Wanderausstellung
des Auswärtiges Amtes in Berlin,
anschließend durch mehrere Goetheinstitute der USA.
Der Katalog sehr gut illustrierte Katalog kostet 15 EUR