22.07.2020
Peter Veran: Plädoyer eines Märtyrers - Eine Groteske

Peter Veran ist das Pseudonym des Juristen und Historiker Werner Anzenberger, geboren in Leoben in der Steiermark von Österreich. An der Karl-FranzenUniversität in Granz studierte er Jura und Geisteswissenschaften. In beiden Fächern schloss seine Studien mit seiner Promovierung in den Jahren von1981 bis 1998 ab. Titel seiner Arbeiten »Finanzstrafrecht und Menschenrechtskonvention« und »Casa de Austria Republicana. Haus Österreich in Literatur und Politik.« Derzeit arbeitet er in der Außenstelle der steirischen »Kammer für Arbeiter und Angestellte«, ist auch Landes- und stellvertretender Bundesvorsitzender der SPÖ -Organisation »Bund Sozialistischer Freiheitskämpfer«.

Seine publizistischen Schwerpunkte und die historische Forschung liegen in der Geschichte des Nationalsozialismus und der Geschichte des Austrofaschismus. Auch ist Anzenberger ein starker Verfechter des Begriffs des »Austrofaschismus« für die Zeit von 1934 bis 1938, als in der Nacht vom11. auf 12. März 1938 Wehrmachts-, SS- und Polizeieinheiten die Macht in Österreich übernahmen. Im Oktober 2017 bekamMAnzenberger vom österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen den Titel Professor verliehen.

Der austrofaschistische Diktator Engelbert Dollfuß war 1932 auf demokratischem Weg ins Bundeskanzleramt ins gelangt, nutzte eine Geschäftsordnungskrise bei der Nationalratssitzung am 4. März 1933 zu einem Staatsstreich. Nach Ausschaltung des Parlaments arbeitet Dolfuß diktatorisch mit Notverordnungen. Dem italienischen Faschisten Mussolini und der katholischen Kirche nahestehend, lehnte er Hitlers Nationalsozialismus ab. Bei einem von langer Hand vorbereiteten nationalsozialistischen Putsch am 25. Juli 1934 kam Dollfuß durch einen aus Versehen gelösten Schuss zu Tode.

Der Autor beschreibt das Geschehen so: »Im Jahr 2020, sechsundachtzig Jahre nach dem Aufstand im Februar 1934 gegen die sich verfestigende Diktatur, wird der Bundeskanzler dieser Zeit, Engelbert Dollfuß, aus seinem »historischen Grab« in Wien-Hietzing exhumiert. Man setzt ihm ein selbstheilungskraftaktivierendes, linksgedrehtes Licht-Stammzellenpflaster einer lebensberatenden Verganzheitsmedizinerin exakt an jene Stelle, an der einst die Zirbeldrüse gesessen sein mag. Dann stellt man ihn vor Gericht. - Dollfuß soll sich für den Bruch der demokratischen Verfassung der Ersten Republik Österreich im Frühjahr 1933 und nachfolgende Straftaten bis zu seinem gewaltsamen Tod im Juli 1934 verantworten. Als zuständig für einen solchen Prozess kommen alle Landesgerichte der Zweiten Republik in Frage, insbesondere in den Sprengeln der Haupttatorte, das Graue Haus in Wien, die Landesgerichte in Niederösterreich, Oberösterreich und in der Steiermark.

Ohne auf Verjährungsproblematiken einzugehen, berücksichtigt die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage eine Reihe von Tatbeständen. Sie legt eine umfangreiche Anklageschrift vor, eine beachtliche »Speisekarte«, wie es im Justizjargon heißt. Die Strafrechtslage der Ersten Republik vor dem Verfassungsbruch und jene der heutigen Zweiten Republik sind in den wesentlichen Punkten deckungsgleich.

1. Verbrechen gegen Leib und Leben: Vielfacher Mord, Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen und schwere
    Körperverletzung.
2. Verbrechen gegen den Staat: Hochverrat, staatsfeindliche Verbindungen und kriminelle Vereinigungen.
3. Angriffe auf oberste Staatsorgane: Nötigung der obersten Vertretungsorgane wie Nationalrat und Landtage und
    Nötigung der Höchstgerichte, vor allem des Verfassungsgerichtshofes.
4. Verbrechen gegen die Freiheit: Freiheitsentziehung und schwere Nötigung.
5. Verbrechen gegen den Frieden: Landfriedensbruch und Landzwang, Terrorismus.
6. Strafbare Verletzung der Amtspflicht und Korruption: Missbrauch von Amtsgewalt, Bestechung, Folter sowie
    Quälen und Vernachlässigen von Gefangenen.

7. Strafbare Handlungen gegen die Rechtspflege: Unterdrückung
    von Beweismitteln, Verleumdung und Begünstigung.

8. Verbrechen gegen das Vermögen: Schwere Sachbeschädigung,
    schwerer Raub, schwerer Diebstahl, Einbruchsdiebstahl und
    räuberischer Diebstahl.

Bagatelldelikte werden aus Gründen der Prozessökonomie nicht angeklagt. - Die acht Geschworenen, die drei Berufsrichter des Senates, die Staatsanwältin, der Verteidiger, der Angeklagte und das zahlreiche Publikum haben die Plätze eingenommen. Die Vorsitzende Richterin eröffnet das Verfahren und nimmt die Personalien auf. Geboren? 1892, Texing, Erzherzogtum Österreich unter der Enns. Wohnort?
Historisches Grab Wien-Hietzing. Vermögen? Vererbt. Beruf? Märtyrerkanzler.
Die Richterin weiter: Bekennen Sie sich schuldig?

Das »Plädoyer eines Märtyrers« ist ein Versuch die »Dollfuß Affäre« in der derzeitigen politischen Situation in Österreich »ÖVP -FPÖ« und derzeit von »ÖVP und Grün« wieder in Österreich zu diskutieren. Lesenswert.
khw


Peter Veran: Plädoyer eines Märtyrers - Eine Groteske

Promedia Druck- und Verlagsgesellschaft, Wien 2020
Mit einer Zeittafel und einem Glosar
174 Seiten - 17,99 EUR