20.07.2020
Sylvia Remé: Dietrich Kittner – Porträt der Kabarettlegende

Im Vorwort schreibt der Mit-Herausgeber des »Ossietzky« Nachfolger der legendären »DIE WELTBÜHNE« - die Eigentümer des Titel wollten eine hohe Summe dafür haben, die Familie von Ossietzky stellte ihren Namen für das rote Heft kostenfrei zur Verfügung, Rainer Buttenschön: »Dietrich Kittner machte seit Jahren längst das politisch rissigste und relevanteste Kabarett bundesweit, als ich ihm das erste Mal im Sommer 1980 begegnete. Ich war gerade als junger Journalist nach Hannover gekommen und erkundete an einem arbeitsfreien, trüb-nassen Sonntag das hannoversche Altstadtfest. Dessen Besuch, so hatte ich gehört, sei ein MUSS. Mich hat der dortige Kommerz über weite Strecken angeödet. Nachhaltig beeindruckt aber hat mich damals ein wortmächtiger Mann mit Gitarre und Mütze: Dietrich Kittner. Um dessen kleine Bühne irgendwo in der Nähe des Ballhofes tummelte sich viel Publikum, mit dem Kittner in der ihm eigenen Art unterhaltsam und mit spitzer Zunge parlierte. Unter den Zuschauern waren auch einige reaktionäre junge Burschen, Flegel vom Ring Christlich-Demokratischer Studenten, der Studierendenorganisation der Unionsparteien. Die pöbelten in Richtung Kittner und bewarfen ihn mit Bierbechern, ohne ihn je zu treffen. Kittner, der sich als Atheist geoutet hatte, rief fröhlich: »Seht Ihr, Euer Gott schützt mich.« Die Lacher hatte er damit auf seiner Seite.« Weiter schreibt Butenschön: »Dieser Mann, er formuliert scharf wie roter Chili, er agiert überlegt, ihm zuzuhören bringt Spaß und bewegt die Lachmuskeln wie die grauen Zellen gleichermaßen, auch ungemütliche Situationen behält er souverän im Griff - und von denen gab es in Kittners ereignisreichem Leben nicht nur eine und auch deutlich gefährlichere.«

Es ist die erste Biografie über den Kabarettisten Dietrich Kittner, am 30. Mai 1935 in Oels, heute Olesnica, Polen geboren, der gemeinsam mit Christel Strohmeyer nach ihrer Heirat am 21. Januar 1960 4 Tage später mit dem gerade gegründeten Göttinger Studenten- und Diletantten-Kabarett Leid-Artikler die erste Premiere des ersten Programms »In höherem Kr(e)isen« hatte. Ein Jahr später erfolgte in Hannover die Anmeldung eines »Gewerbetriebes für politische« beim Ordnungsamt in Hannover.

Über 50 Jahre hielt Dietrich Kittner mit seinen Kabarettprogrammen von »Die Freiheit eine Kasse«, »Wollt ihr den totalen Mief« bis »Bürger hört die Signale« als der »Rote Feuerwehrmann« den Bundesbürgern den Spiegel vors Gesicht. Mit seinen Kabarettprogramen reiste er auch in und durch die DDR, die Schweiz, Österreich, sowie Belgien, die CSSR, Finnland, Italien, Jugoslawien, Luxemburg und Schweden. Aus der SPD wurde Kittner 1972 ausgeschlossen und blieb weiter auf der linken Seite. Zu Beginn waren seine Programme eine Stunde lang, je länger er sie spielte wurden sie länger und länger, stets kamen neue Punkte ins Programm, waren so stets Aktuell.

Am 15. Februar 2013 ist Dietrich Kittner in Bad Radkersburg in der Steiermark gestorben, seine Frau Christel starb ein Jahr später am 5. März. Seit dem 1. März 1917 erinnert in Hannover der »Dietrich Kittner Platz« unweit der Bismarckstraße in der Südstadt an den Kabarettisten Dietrich Kittner.
khw


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Porträt der Kabarettlegende

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