20.07.2020
Susanne Matthiessen: OZELOT und FRIESENNERZ – Roman einer Sylter Kindheit

Die Autorin Susanne Matthiessen, Jahrgang 1963, ist gebürtige Sylterin und Journalistin. Sie arbeitet für Radio, TV und das Internet, für TV-Magazine von Dunja Hayali (ZDF), und Gabi Bauer (ARD). Seit 15 Jahren ist sie Dozentin in der privatwirtschaftlichen »Akademie für Publizistik« in Hamburg und schrieb 15 Jahre für die »Sylter Rundschau« Kolumnen. Zu Hause ist Susanne Matthiessen in Berlin wie in Westerland/Sylt.

Im Vorwort schreibt S. Matthiessen zu Sylt: »Ich bin und bleibe das Mitglied einer bizarren Schicksalsgemeinschaft. Und das habe ich inzwischen akzeptiert und meinen Widerstand endgültig aufgegeben. Ich bin Mitglied eines Vereins, aus dem man sich nicht rausmelden kann. Ich bin auf Sylt geboren - und deshalb automatisch mit der ganzen Insel verwandt. So eine Art Blutsbrüderschaft. Manchmal kommt es mir aber eher vor wie eine Sekte. Nur dass kein Außenstehender jemals erfährt, wer wirklich dazugehört. Ein vollständiges Register könnte ich zwar auch nicht anlegen, aber immer wenn ich die Sylter Rundschau aufschlage und die Traueranzeigen lese, weiß ich, ob wir wieder jemanden verloren haben. Das Verstörende ist, es kommt nichts mehr nach. Wir sterben aus.«

Dazu muss man wissen, im Januar 2014 wurde auf Sylt vom Gesundheitskonzern »Aspklepios Nordseeklinik Westerland« die Geburtsstation geschlossen. Seitdem gibt es keine Kinder mehr in dem der Geburtsort »Westerland /Sylt« steht.

Weiter schreibt die Autorin: »Die letzten zehn Jahre haben uns dann den Rest gegeben. Wir sind reich. Aber uns fehlen die Leute bei der Feuerwehr. Und viele von uns haben überhaupt keine echten Nachbarn mehr. Schulen wurden zusammengelegt oder ganz dichtgemacht. Mein Elternhaus? Abgerissen. Stehen jetzt vier langweilige Hausscheiben drauf. Dörfliches Leben gibt es eigentlich nur noch in Morsum und in Tinnum. Die Orte Kampen, Keitum, Rantum, Wenningstedt - leer. War es das wert? Meine Mutter sagt, ich übertreibe. Meine Freundin Korne sagt: »Alles hat seine Zeit.« Mein Vermieter sagt: »Hängen Sie bloß kein Protestplakat aus dem Fenster wie in Barcelona!« Meine frühere Deutschlehrerin sagt, wir würden alle als Wattwürmer wiedergeboren und müssten auf ewig durch den Schlick kriechen. Apropos Wiedergeburt. Wie alle Sylter bin ich in der »Nordseeklinik« bei auflaufendem Wasser zur Welt gekommen. Direkt hinter der Düne. Auf Sylt kamen die Kinder immer mit der Flut. Setzten die Wehen ein, überprüfte die Hebamme erst einmal den Gezeitenkalender. Lief das Wasser ab, hatten alle noch jede Menge Zeit. Ob das jetzt genauso ist, wenn man auf dem Festland geboren wird, weiß ich gar nicht.«
Das Buch ist eine Abrechnung mit Sylt wie ihre Liebe zur Insel. Auf 245 Seiten schildert Susanne Matthiessen die 99,14 Quadratkilometer große Ferieninsel die 12 Monate im Jahr Gäste hat. Das Altfriesische der Insel präsentiert sich nur noch im Altfriesischen Haus von 1640, heute ein Museum in Keitum. Das Friesisch wird gepflegt von der Söl´ring Foriining, nicht nur die Sprache, auch die Kultur.

Noch immer wird auf Sylt abgerissen und neu gebaut, die Quadratmeterpreise, derzeit kauft die Erbengeneration, sind exorbitant. Größtes und teuerstes Bauprojekt ist der Bau des »LANSERHOF« in List. Gewinnbringend konnte die BRD das aus den Nazijahren erworbene Grundstück mit Offizierskasino an Christian Harisch, einen österreichischen Rechtanwalt und Hotelier verkaufen. Mehr 10 Betriebe gehören heute zur Gruppe Harisch Hotels, auch das »Weißes Rössl«. Das neue Hotel in List, Baukosten 100 Millionen Euro, wird mit seinen 68 Zimmern Luxus pur sein. Auch Harisch Freund Johannes B. Kerner gehört mit zum Kreis der Investoren. Im Frühjahr 2021 soll das Hotel mit seinem »luxurösen Gesundheits-Resorts« bei Zimmerpreisen ab 500 Euro öffnen. Das Gesundheitsresort kostet extra.

Ein aufklärendes Buch über Sylt unter dem Titel: »Ozelot und Friesennerz« veröffentlicht.
khw


SUSANNE MATTHIESSEN: OZELOT UND FRIESENNERZ
Roman einer Sylter Kindheit

Ulstein Buchverlage, Berlin 2020
253 Seiten - 20,00 Euro