25.03.2020
Michael Wolffsohn im Gespräch: ANTISEMITISMUS HEUTE

Michael Wolffsohn, geboren am 17. Mai 1947 in Tel Aviv ist ein deutscher Historiker und Publizist. Er lehrte von 1981 bis 2012 an der Universität der Bundeswehr München Neuere Geschichte.

Der Band - kurz & bündig Verlag Frankfurt a. M. und Basel - hat das Thema «Antisemitismus heute», und beginnt mit einem Gespräch zwischen Michael Wolffsohn und Susanne Schmugge, das das Schweizer Radio SRF 2 Kultur am 11. November 2019 sendete.

In dem Band heißt es auf Seite 31: »Der Antisemitismus ist der stärkste Katalysator für ein jüdisches Gemeinschaftsgefühl seit Beginn des 19. Jahrhunderts«

Susanne Schmugge und Michael Wolffsohn führen zu diesem Thema eine offene wie entspannte Diskussion. Frage von Susanne Schmugge: »Sie sind verheiratet mit einer Nichtjüdin, einer deutschen Protestantin. Eine Konversion war nie Thema?«

Michael Wolffsohn antwortet: »Natürlich war es ein Thema. Aber es ist uns klar geworden, dass wir ja die offene Gesellschaft wollen - das wollen wir ja seit 2000 Jahren - und wenn man A sagt, muss man auch B sagen. Das heißt, man sollte auch die eigene Gemeinschaft in Frage stellen. Man darf sich nicht über andere stellen, indem man die Konversion verlangt und erwartet, sonst löscht man im Grunde genommen die Identität des anderen aus oder stülpt sich eine künstliche, eine andere über.

Man wächst aber zusammen, das ist eine Erfahrung. Jedoch nicht im synagogalen, konfessionellen Sinne. Meine Frau ist sozusagen in die jüdische Mentalität hineingewachsen und ich in die nichtjüdische, christliche Welt - aus beidseitigem Interesse. Wenn man jemanden liebt und mit ihm zusammen ist, beschäftigt man sich mit dem anderen, auch mit seiner Herkunft - man wird offener.

Wir haben über Antisemitismus gesprochen; die offene Gesellschaft ist sozusagen die Antithese zum Antisemitismus, der gelebte jüdisch-christliche Dialog.

Unter meinen engen Freunden sind sowohl christliche Geistliche, evangelische wie katholische, aber auch Muslime. Meine muslimischen Freunde beschäftigen sich mit dem Islam, aber nicht im fundamentalistischen Sinne, weil ebendieses Metaphysische ins Physische, in den Alltag hinein, ja eine ganz große Rolle spielt, auch wenn wir nicht in Moscheen, Kirchen, Synagogen gehen. Die Seins- und Sinnfragen, welche die Religion stellt, interessieren mich immer mehr, je älter ich werde. Was ist der Sinn? Da ist eine hohe Ästhetik, die dahintersteht.«

Abschluss im Band ist der Text des Drama von Gotthold Ephraim Lessings «Nathan der Weise».
khw


Michael Wolffsohn im Gespräch: ANTISEMITISMUS HEUTE

kurz & bündig Verlag – Frankfurt a. Main u. Basel
192 Seiten - 18,50 EUR