25.03.2020
Friedemann Bartu: Umbruch – Die Neue Zürcher Zeitung – Ein kritisches Porträt

Der Autor Dr. Friedemann Bartu, 1950 geboren, arbeitete nach seinem Studium ab 1978 insgesamt 37 Jahre für die Neue Zürcher Zeitung (NZZ), davon war er 25 Jahre Korrespondent in Washington, London, Singapur, Paris und Genf.

Über die Schweizer Tageszeitung NZZ, sie erscheint seit 241 Jahren, ist »Umbruch« das Buch, das sich dem Weltblatt aus Zürich widmet. Jüngste Geschichte der Zeitung aus den Redaktionen und Verlag wird Faktenreich beschrieben, parallel dazu die Politik der Schweiz in diesen Jahren, auch die Verbindungen von Politik und Journalismus die zur NZZ bestanden und immer noch bestehen.

Als der Autor 1978 bei der Neuen Zürcher Zeitung begann, gab es noch die heile NZZ-Welt, inzwischen ist aus dem einstigen publizistischen Flaggschiff ein weitverzweigtes Medienunternehmen geworden. Zum Schicksalsjahr wurde 2001 parallel zum Grounding der Swissair am 2. Oktober 2001. Das löste einen wirtschaftlichen Schock aus, verbunden mit dem schnellen Rückgang der Werbeetats, das auch die Züricher Zeitung. Bei dem Aus von Swissair wurde öffentlich bekannt, wie eng Politik und Wirtschaft mit dem Journalismus, hier NZZ, verzahnt war und wohl noch immer ist. Verwaltungspräsident der SAir Group ist Eric Honegger aber gleichzeitig auch Präsident des NZZ-Verwaltungsrats. Damit beginnt das Ende bestimmenden Freisingen Demokratischen Partei (FDP) in der NZZ der Eric Honegger Mitglied ist. Die Aktien der NZZ können nur von Mitgliedern der FDP oder natürliche Personen erworben werden, die sich zur freisinnigen-demokratischen Grundhaltungen bekennen. Nach den Vinkulierungsbestimmungen bedarf es bei der Eintragung ins Aktienregister der Zustimmung des Verwaltungsrats. So ist eine NZZ-Aktie für den Besitzer auch eine Ertragsperle. Hatte die NZZ Aktie im Jahr 2000 einen Wert von 270.000 CHF heute nach den stürmischen Jahren und einem Split von 5000 CHF Franken (ohne Split 50.000 CHF) ist sie wert. Heute ist die Schweizer FDP keine bestimmende politische Kraft mehr in der NZZ.

Nicht immer hatte der Verwaltungsrat unternehmerische Weitsicht. Die Regionalzeitungen, die in St. Gallen, Bern und Luzern gekauft wurden, müssen mit Franken aus Zürich am Leben gehalten werden. Die seit 2002 erscheinende »NZZ am Sonntag« entwickelte nach einem schwierigen Start zum florierenden Sonntagsblatt.

Nicht verpasst, aber in den Einstieg in die digitale Welt tat sich die NZZ mehr als schwer. Es waren Probleme wie in den konkurrierenden Zeitungsverlagen. Es ein neues Medium das erkundet werden muss, auch wie man es sinnvoll publizistisch nutzt und bespielt. So beginnt bei NZZ auch der Online-Journalismus. Mit dem Siegeszug Online und seiner «Gratis-Kultur» – heute nicht mehr – ging beim gedruckte die Auflage der NZZ von 2009 bis heute von einmal 144.000 auf 104.000 Abonnenten zurück.
Die Folgen des Auflagenschwunds sind Sparprogramme mit Kündigungen von Redakteuren und Auslandkorrespondenten. Aufgefangen wurde der Rückgang der Auflage mit einem Digital Abo der Zeitung.

Mit dem neuen NZZ Chefredakteur Eric Gujer hat sich auch der der politische Blick der Zeitung verändert. Nicht mehr freisinnig ist angesagt, man flirtet sogar mit Rechtsaußen. Der Fokus auf die Bundesdesrepublik Deutschland irritiert die Schweizer NZZ -Leser. Chefredakteur Gujer, so Autor Bartu, rechtfertigt seinen Deutschland-Kurs auch damit, dass man in der Schweiz weniger Tabuzonen kennt. Nur bei mir stößt die Hinwendung zur AfD nicht auf mein Wohlwollen.

Auch wenn die AfD derzeit die größte Oppositionspartei in der Bundesrepublik Deutschland ist, nur ist diese Partei demokratisch?

»Im Zeitalter des Internet« so das Fazit von Friedemann Bartu: »sei die Rolle der NZZ als medialer Leuchtturm - selbst bei matter Leuchtkraft - wichtiger denn je.«
Hoffen wir es.
khw


Friedemann Bartu: Umbruch - Die Neue Zürcher Zeitung
Ein kritisches Porträt

Orell Füssli Verlag, Zürich 2020
285 Seiten - 25,00 EUR