23.03.2020
Christian Goeschel: MUSSOLINI UND HITLER - DIE INZENIERUNG EINER FASCHISTISCHEN ALLIANZ

Der Autor Christian Goeschel ist Historiker und lehrt moderne europäische Geschichte in Manchester. In seinem Buch untersucht Goeschel die Beziehungen zwischen Mussolini und Hitler, liefert eine lesenswerte Analyse. Er schreibt: «Dieses Buch ist weder eine Biographie noch eine Studie zu den »parallelen Leben« der beiden Diktatoren, vielmehr untersucht es ihre Beziehungen, deren Darstellung und deren politische Gesamtbedeutung. In dem ich den Fokus auf die zeitgenössische Darstellung ihrer Beziehung lege, überprüfe ich die - imaginäre, konstruierte und reale - Macht Mussolinis und Hitlers, Außenpolitik zu prägen und zu lenken. Allerdings schließe ich mich nicht der traditionellen Interpretation an, dass die Intentionen der Diktatoren die Politik beherrschten. Hitler musste im nationalsozialistischen politischen System, in dem Partei- und Staatsfunktionäre »dem Führer entgegenarbeiteten« - nur selten unmittelbare Anweisungen geben. Mussolinis Stellung als Diktator war wesentlich schwächer als die Hitlers, da der Duce Rücksicht auf die vom altgedienten König Viktor Emanuel III. dominierte Monarchie wie auf den Vatikan und den »unfehlbaren Papst« nehmen musste, obgleich beide Institutionen dem faschistischen Regime über die längste Zeit seiner Existenz hinweg breite Unterstützung angedeihen ließen.

Auf den ersten Blick hatten die beiden Diktatoren vieles gemeinsam. Beile stammten aus relativ bescheidenen, provinziellen Verhältnissen. Beide waren charismatisch. Beide kamen mit einer Mischung aus politischer Gewalt und scheinbar legalen Mitteln in einer bürgerkriegsähnlichen Atmosphäre an die Macht und beherrschten ihr Land. Beide betonten ständig ihre Männlichkeit und ihren Militarismus. Beide versprachen, die Massen zu einen und ihr Land zu einer Weltmacht zu machen. Beide herrschten durch eine Kombination von Gewalt und einem scheinbaren »Konsens« der Bevölkerung. Beide waren skrupellos und fest entschlossen, durch Krieg und Eroberung eine nach ihrer Ansicht neue Ordnung zu etablieren. Beide verfolgten eine auf Krieg ausgerichtete Innen- und Außenpolitik, die sich jedoch angesichts der drastisch unterschiedlichen Wirtschaftsleistung ihrer Länder und ihrer unterschiedlichen politischen Kultur anders entwickelte. Ihre Beziehung war nicht nur von persönlicher Rivalität geprägt, sondern auch von äußerst unterschiedlichen nationalen Kontexten, in denen beide operierten. Hitlers Ideologie, in deren Zentrum der Antisemitismus und die Eroberung von Lebensraum in Osteuropa standen, war in ihrer Fokussierung wesentlich expliziter und radikaler als die Mussolinis. Es ist klar, dass Antisemitismus für Hitler und die Nationalsozialisten im Mittelpunkt stand und zum Holocaust führte, während in Italien der einheimische Rassismus, der auf einer in den Kolonien praktizierten rassistischen Ausgrenzung beruhte, sich erst stärker ausprägte, als sich die Beziehungen zwischen Faschisten und Nationalsozialisten in den mittleren bis ausgehenden dreißiger Jahren festigten.«

Benito Mussolini und Adolf Hitler trafen sich seit 1934 insgesamt siebzehn Mal, nur es war keine Freundschaft im Sinne des Wortes.

Charly Chaplins Film »Der große Diktator« (The Great Dictator), seine satirische Parodie auf Hitler und Mussolini, wollte die amerikanische Zensur zunächst nicht genehmigen. Der Grund soll, so die Enkeltochter Laura Chaplin, Hitler Deutschland habe mit Wirtschaftssanktionen gedroht, zu dieser Zeit waren die USA noch neutral. Der Film zeigt die beiden Diktatoren als »eitle, aufgeblasene eifersüchtige Rivalen.« Zum letzten Mal trafen sich Mussolini und Hitler am 20. Juli 1944 nach dem Bombenattentat in der Wolfschanze in Ostpreußen. Da war der Italiener, am 25. Juli 1943 entmachtet und inhaftiert, wurde am 28. August aus dem Hotel Campo Imperatore am Gran Sasso d'Italia in den Abruzzen unter Beteiligung des Offiziers der Waffen-SS Otto Skorzeny befreit.

Das neue Staatsgebilde für Mussolini erhielt den Namen «Repubblica Sociale Italiana» (Italienische Sozialrepublik), das vom ehemaligen faschistischen Italiens geblieben war. Noch vor dem Ende Hitler Deutschlands am 8. Mai 1945 begeht Hitler am 30. April Selbstmord. Mussolini wird am Nachmittag des 28. April 1945 von einer Partisanengruppe am Rande des Dorfes San Guilino di Mezzegra erschossen.
khw


CHRITIAN GOESCHEL: MUSSOLINI UND HITLER
DIE INZENIERUNG EINER FASCHISTISCHEN ALLIANZ
Aus dem Englischen von Ulrike Bischoff

Suhrkamp Verlag, Berlin 2019
476 Seiten - sw-Fotos - 28,00 EUR