13.03.2020
Miron Bialoszewski: Erinnerungen aus dem Warschauer Aufstand

Der polnische Dichter Miron Bialoszewski, geboren am 30. Juni 1922 Warschau, gestorben am 17. Juni 1983 ebenda, war ein polnischer Dichter. Bialoszewski machte sein Abitur während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg und studierte danach an der geheimen Untergrunduniversität polnische Philologie. Er nahm am Warschauer Aufstand v. 1. August bis zum 2. Oktober 1944 teil. Der Führer SS, Heinrich Himmler beauftragte dafür den SS- Gruppenführer und Generalleutnant der Waffen-SS und Polizei Heinz Reinefarth mit der blutigen Niederschlagung des Aufstandes. Miron Bialoszewski überlebte die Kriegshandlungen wurde von den deutschen Besatzern zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt. Auf diesem Transport konnte er fliehen, kehrte nach Polen zurück. Nach dem Ende des Krieges beendete er sein Studium, arbeitete neben dem Studium als Postangestellter. Dann begann Bialoszewski als Journalist für Warschauer Tageszeitungen zu arbeiten. Außerdem schrieb er für Kinder- und Jugendzeitschriften, in denen er seine ersten Gedichte und Lieder veröffentlichte. Posthum wurden Miron Bialoszewskis-Schriften herausgeben, liegen in einer zwölfbändigen Gesamtausgabe vor. Der Autor gilt als nationaler Klassiker des zwanzigsten Jahrhunderts.

In seinem Buch erzählt der Autor von eigenem Erlebten in den Tagen des Aufstandes, es ist auch keine Erzählung von Rache, Kampf und Heldentum. Seine Erzählung über die Tage vom 1. August bis zum 2. Oktober 1944 hat die Form eines Romans. Er schreibt: «Am Dienstag, den 1. August 1944 war es bedeckt, nass, es war nicht besonders warm. Am Nachmittag bin ich wohl hinaus auf die Chlodna gegangen (damals meine Straße, Hausnummer 40), und ich erinnere mich an die vielen Straßenbahnen, Autos, Menschen und dass mir gleich an der Ecke Zelazna das Datum einfiel, der 1. August, und ich dachte bei mir etwa in diesen Worten: «1. August - Fest der Sonnenblumen». Allerdings ist mir das so in Erinnerung, dass ich die Chlodna in Richtung Kercelak vor mir hatte. Doch woher die Assoziation mit Sonnenblumen? Weil sie um diese Zeit blühen, ja verblühen, weil sie reif werden ... Und damals, da war ich naiver und sentimentaler, ungewieft, so stand einem der Sinn in diesen Zeiten, naiv, ursprünglich, irgendwie sorglos, romantisch, mit Untergrund, Krieg ... Also - irgendwo musste dieses Gelb ja sein - das Licht, dieses Schlechtwetter mit diesem Hervorkommenwollen (und ja dann auch Durchbrechen) der Sonne, auf den roten Trambahnen, wie es in Warschau so ist.

Ich werde aufrichtig sein, mich auf das alles in Tatsächlein besinnen, vielleicht zu detailliert, aber dafür wird es nur die Wahrheit sein. Jetzt bin ich fünfundvierzig, dreiundzwanzig Jahre ist es her, ich liege auf der Couch, unversehrt, lebendig, frei, bei guter Gesundheit und Laune, es ist Oktober, Nacht, das Jahr 67, Warschau hat wieder eine Million dreihunderttausend Einwohner. Ich war siebzehn Jahre alt, als ich mich eines Abends ins Bett legte und zum ersten Mal Artillerie hörte. Das war die Front. Es muss der 2. September1939 gewesen sein. Mein Schrecken damals war berechtigt. Fünf Jahre später – und die wohlbekannten Deutschen spazieren in Uniform durch die Straßen.» So beginnt der Bericht, der den Alltag Warschaus Minuten genau in den Tagen des Aufstandes schildert. Nachzutragen ist, Heinz Reinefahrt wurde in der Bundesrepublik von1951-1964 Bürgermeister in Westerland/Sylt, 1958 in den Landtag von Schleswig-Holstein gewählt. Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gab Reinefahrt seine Ämter auf.
khw


Miron Bialozewski:
Erinnerungen an den Warschauer Aufstand

Suhrkamp Verlag, Berlin 2019
345 Seiten - 26,00 EUR