23.03.2020
Ginette Kolinka: RÜCKKEHR NACH BIRKENAU – Wie ich überlebt habe

Die Autorin Ginette Kolinka wurde am 4. Februar 1925 in Paris mit dem Familiennamen Cherkasky geboren, überlebte das KZ Auschwitz-Birkenau, Bergen-Belsen und Theresienstadt. Die Französin ist eine Zeitzeugin des Holocaust.

Seit Jahren lebt die Familie Cherkasky mit ihren sechs Kindern in Aubervilliers, einem Vorort von Paris. Der Zweite Weltkrieg beginnt, Krieg ist auch in Frankreich, am 14. Juni 1940 nehmen Hitlers Soldaten Paris ein. Das Leben in Frankreich ändert sich schlagartig. In Paris werden Verwandte der Familie Cherkasky, ein Onkel und Schwager, 1941 verhaftet. Um ihrer Verhaftung zu entgehen, flieht die Familie Cherkasky 1942 in den Süden Frankreichs. Das ist der Teil von Frankreichs, der vom Deutschen Militär nicht besetzt ist. In Avignon, Provence Alpen Côte d'Azur, wollen sie einer Verhaftung entgehen. Doch es kommt anders, Anfang März 1944 wird die Familie Cherkasky denunziert. Am 13. März werden der Vater Leon, die Tochter Ginette und der Sohn Gilbert verhaftet. Das Gefängnis von Avignon ist die erste Station. Dann geht es weiter nach Marseille ins Gefängnis »Les Baumettes«. Von hier werden sie in das berüchtigte Sammellager «Drancy» bei Paris gebracht. Am 13. April 1944 verlassen Vater, Tochter und Sohn das Sammellager, werden mit dem Gefangenentransport der französischen Eisenbahn - Konvoi Nr. 71 genannt - nach Auschwitz deportiert. Der Vater und Bruder werden nach Ankunft im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau vergast, Ginette kommt ins Frauenlager. Gefangene im Konvoi Nr. 71 sind Simone Veil, Marceline Loridan-Ivens, Lea Feldblum, Anne-Lise Stern und der Rabbiner Paul Haguenauer.

Nach Auschwitz kommt Ginette von Oktober 1944 bis zum April 1945 in das KZ Bergen-Belsen und Theresienstadt. Hier erkrankt sie an Fleckfieber. Am 8. Mai 1945 befreit die Rote Armee das KZ Theresienstadt. Es sind sowjetische Ärzte und Krankenschwestern, die sich um Ginette kümmern. Endlich ist sie gesund, kann am 6. Juni 1945 nach Paris reisen, sieht ihre Mutter wieder.

Vierzig Jahre schweigt Ginette Kolinka, verheiratet, hat in Aubervilliers ein Strickwarengeschäft, über ihre Deportation als 19-jährige aus Frankreich, ihre Haft in den Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, Bergen-Belsen und Theresienstadt. Das erste Mal berichtet Ginette Kolinka ihre Lebensgeschichte 1992 Steven Spielberg. Der Regisseur suchte für seinen Film »Schindlers Liste« Zeitzeugen. Erst später schreibt sie mit Hilfe der Journalistin Marion Ruggieri ihre Lebensgeschichte für ein Buch auf. Auch mit 95 Jahren erzählt die in Paris lebende Frau in Schulklassen ihre Geschichte, das Grauen in den KZ-Lagern und das Überleben. Am 27. Januar 2016 ernennt die Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem Ginette Kolinka zum Offizier des »Ordre des Palmes Académiques«.

In ihrem Buch schreibt Ginette Kolinka: »Den Schülern sage ich immer wieder: Daran ist der Hass schuld, der Hass im Reinzustand. Die Nazis haben sechs Millionen Juden vernichtet. Erinnert euch an das, was ihr für unvorstellbar gehalten habt. Wenn ihr hört, wie Eure Eltern, Verwandte oder Freunde rassistische, antisemitische Äußerungen von sich geben, fragt sie, warum. Ihr habt das Recht zu diskutieren, sie von ihrer Meinung abzubringen, ihnen zu sagen, dass sie sich täuschen. Ob sie es wirklich tun?«
khw


Ginette Kolinka: RÜCKKEHR NACH BIRKENAU
Wie ich überlebt habe
Mit Marion Ruggieri - aus dem Französischen von Nicola Denis

Aufbau Verlag, Berlin 2020
124 Seite - 18.00 EUR